Werke von Thomas Koppel, Pelle Gudmundsen-Holmgreen und Sunleif Rasmussen

Danish & Faroese Recorder Concertos

Michala Petri (Blockflöte), Aalborg Symphony Orchestra, Ltg. Henrik Vagn Christensen

Rubrik: CDs
Verlag/Label: OUR Recordings 6.220609
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 79

Circe der Blockflöte – so möchte man sie hofieren. Mit ihrer atemberaubenden Virtuosität beflügelt die Dänin die Fantasie zeitgenössischer Komponisten. Um die Fülle ihres Repertoires zu dokumentieren, gründete sie 2006 sogar ein eigenes CD-Label. Das erste der ihr zugedachten Konzerte stammt von Thomas Koppel, dem jüngsten Spross einer Musikerfamilie, die sich vor der Judenverfolgung im besetzten Dänemark nach Schweden retten konnte. Des konventionellen Lehrbetriebs am Kopenhagener Konservatorium überdrüssig, gründete er in den 1960er Jahren mit seinem Bruder Anders die Rockgruppe Savage Rose, die bald Kultstatus erlangte. Späterhin widmete er sich der Komposition sozialkritisch engagierter Musik.
Moonchild’s Dream (1990/91), ursprünglich für ein Musikvideo von Danmarks Radio bestimmt, kreist um die Hoffnungen und Ängste eines kleinen Mädchens aus der Gegend des Kopenhagener Südhafens. Ein Trommelschock erschreckt zu Beginn nicht nur den Hörer, sondern auch die Blockflöte, die mit flatterhaften Arpeggios einsetzt, bevor sie in einem elegisch getönten Melodienzug zur Ruhe kommt. Ein graziöser Pas de deux mit der Solovioline (2. Satz) und verzückte Pirouetten zu federleichten Harfen- und Streicher-Tupfern (3. Satz) spiegeln die Träume des Mondkindes, bevor sich der illusionäre Kreis mit Trommelgepolter und scheuem Flötengewisper schließt.
Inzwischen über 80 Jahre alt, sorgt der „etablierte Außenseiter“ Pelle Gudmundsen-Holmgreen mit seiner dinghaften, quasi bildhauerischen, affektscheuen Tonkunst – die er „konkret“ nennt – immer wieder für Unruhe im Staate Dänemark. 2014 schrieb er Michala Petri ein Konzert mit dem wortspielenden Titel Chacun Son Son (Jedem seinen Ton), worin die verschiedenen Klanggruppen – Holzbläser, Blech, Streicher und Schlagwerk – unbeirrt ihre eigene träge Spur ziehen, ohne sich aufeinander einzulassen. Von einem langgestreckten Kanon ausgehend, gleicht das Stück eher einem Ritual als einem Konzert.
Das dritte, von den Aalborger Sinfonikern unter Henrik Vagn Christensen mit Liebe und Leidenschaft ausmodellierte Blockflötenkonzert stammt von dem Färinger Sunleif Rasmussen. 1961 auf der „Sandinsel“ Sandoy im Süden der Färöer geboren, wurde er nach Vorstudien in Norwegen Kompositionsschüler von Ib Nørholm in Kopenhagen. Seine erste Symphonie Oceanic Days gewann 2002 den Preis des Nordischen Rates. Die zweite The Earth Anew mit Männerchor, Sopran und Bariton (zum Sibelius-Jahr 2015) erlebte kürzlich in Helsinki ihre Premiere.
Mag die Idee zu den Territorial Songs, die Rasmussen 2008/09 als Residenzkomponist von Sønderjyllands Symfoniorkester für Michala Petri komponierte, auch einer Novelle von Italo Calvino entspringen – die maritime Aura des Konzerts ist nordatlantischer Natur. Die reviermarkierenden Vogellaute entziehen sich stellenweise der Takthoheit des Dirigenten. Um das ozeanische Raumgefühl noch zu steigern, wechselt die eminent geforderte Solistin von Satz zu Satz ihr Instrument (Sopran-, Alt- und Tenorflöte). Die drei Orchesterflöten tönen von draußen her wie Stimmen ferner Meeresvögel.
Lutz Lesle