Klaus Trumpf

„…da er einer unserer besten Virtuosen ist“

Johann Matthias Sperger – Leben und Werk

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2021
erschienen in: das Orchester 10/2021 , Seite 70

Bis heute ist Johann Matthias Sperger erstaunlicherweise immer noch allzu unbekannt, nicht nur bei den Kontrabassisten. Klaus Trumpf, der sich seit Jahrzehnten intensiv, nachgerade passioniert mit diesem mysteriösen Komponisten beschäftigt, hat jetzt die Literatur rund um den Kontrabass mit einem Buch bereichert, das Sperger hoffentlich endlich zu dem Platz verhilft, den er seit Langem verdient. Diese Sperger-Biografie gehört zu der Reihe der wichtigsten Bücher über die Geschichte des Instruments Kontrabass. Neben den Werken von Adolf Meier, Alfred Planyavsky und Josef Focht macht dieses spannende Buch eine sehr gute Figur.
Spannend, weil es Trumpf gelingt, anhand von Dokumenten, Briefen und Partituren einen echten, lebendigen Menschen entstehen zu lassen. Diese Dokumente sind übrigens im Überfluss im Buch vorhanden (ich habe über 400 Abbildungen, Notenbeispiele und Faksimiles von Briefen usw. gezählt) und machen es zu einem wirklichen Augenschmaus. Aber das Spannende liegt vor allem darin, dass wir den Menschen Johann Matthias Sperger kennenlernen, dass wir uns von seinem unwahrscheinlichen Schaffen endlich eine Vorstellung machen können und dass wir ein farbenreiches Bild bekommen von den historischen Bedingungen und vom täglichen Leben eines Musikers in der Zeit der Klassik. Trumpf stellt Leben und Werk Spergers in den historischen Kontext seiner Zeit.
Sperger war ein Revolutionär, soviel ist jetzt deutlich. Mag er ein Produkt der klassischen Wiener Kontrabassschule sein, ein Epigone war er keinesfalls. Leider wissen wir relativ wenig von anderen Kontrabass-Virtuosen dieser Epoche. Anhand der ca. 400 Kompositionen Spergers (darunter 18 Kontrabasskonzerte und die allerersten Sonaten für Kontrabass) erkennt man, dass er nicht umsonst schon zeitlebens bejubelt und die Hauptfigur der klassischen Kontrabass-Schule war.
In der Geschichte des Kontrabasses gibt es viele interessante Figuren. Giovanni Bottesini – Komponist, Dirigent und außergewöhnlicher Virtuose – gilt für viele als das Vorbild schlechthin. Sperger aber, der 100 Jahre vorher lebte und in so vielen Dingen der Zeit voraus war (schon allein im Tonumfang seiner Werke von 4,5 Oktaven und dem bis an die Grenzen des Möglichen stoßenden Flageolett-, Arpeggio- und Doppelgriff-Spiel) verdient ebensoviel Respekt und Bewunderung, und dies nicht wegen der technischen Herausforderungen, sondern wegen des musikalischen Werts: Spergers Musik ist so ausdrucksvoll, so voller Charme, Fantasie und Ideenreichtum, dass sie uns auch heute noch bezaubert und rührt.
Es ist Trumpfs großes Verdienst, dass er uns Sperger fast dreidimensional vorführt, mit den großen und auch den kleineren Ereignissen in dessen Leben. Das Buch ist für mich „unputdownable“, bis zum Ende. Trumpfs Erfahrung als Conférencier, in Lectures und Master Classes rund um die Welt erlaubte es ihm, eine zugängliche, informative und oft rührende Biografie zu schreiben – die ohne Zweifel in jede Musikbibliothek und die Hand eines jeden Kontrabassisten gehört.
Korneel Le Compte