Schmitt, Meinrad/Maurice Ravel

Crespino und König Tulipan / Ma Mère l’Oye

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Cavalli CCD 425
erschienen in: das Orchester 10/2004 , Seite 85

Eine beliebte und nach wie vor bewährte Methode, Kinder an klassische Musik heranzuführen, ist der Weg über Sprache, Bilder und Geschichten. Das wird, vor allem in letzter Zeit, mit einigem Erfolg in Gesprächskonzerten praktiziert und auch mehrere Kompositionen für Erzähler und Orchester bzw. Klavier richten sich konkret an junge Zuhörer. Prokofjews Peter und der Wolf und Poulencs Babar, der Elefant bilden da nur die Spitze des Eisbergs. Aus Augsburg kommt nun ein weiteres Projekt dieser Gattung: Crespino und König Tulipan von Meinrad Schmitt, eingepielt vom Philharmonischen Orchester der Stadt.
Die Geschichte ist rasch erzählt: Crespino, der Hofzwerg des Königs Tulipan, bastelt zum Geburtstag seines Herrn eine Spieluhr der ganz besonderen Art: Sie spielt die von Crespino komponierte Melodie nicht nur in ihrer ursprünglichen Gestalt, sondern auch in Umkehrung, Krebs sowie im doppelten Tempo. Alle sind begeistert von der Preziose: der König, sein Hofstaat, aber auch ein Raubritter, der die Musiktruhe an sich reißen will. Das gelingt dem Finsterling jedoch nicht, denn Crespinos musikalische Tricks schlagen ihn und seine Spießgesellen ein ums andere Mal in die Flucht.
So weit der Plot. Die Melodie, die hier die Hauptrolle spielt, stammt allerdings nicht von Crespino persönlich und auch nicht von Meinrad Schmitt, sondern von Wolfgang Amadeus Mozart: Es handelt sich um „Reich mir die Hand, mein Leben“ aus Don Giovanni.
Auf kurzweilige und eingängige Art, in einer maßvoll modernen Tonsprache, vermittelt Schmitt dem jugendlichen Publikum einige der grundlegenden kompositorischen Handgriffe – anders gesagt, was sich mit einer Melodie alles anstellen lässt. Als Crespinos Alter Ego gesellt Schmitt dem Orchester eine Soloklarinette hinzu und vermittelt mit diesem Kunstgriff eine Idee, wie Charaktere musikalisch dargestellt werden können. Da das Opus mit 22 Minuten zudem recht griffig geraten ist, dürfte es bei seiner Zielgruppe, soweit Interesse vorhanden, Erfolg haben – wenn auch festgestellt werden muss, dass es ausschließlich die Melodie Mozarts ist, die im Gedächtnis haften bleibt, nicht die Musik Schmitts.
Ergänzt wird Crespino durch Maurice Ravels Ma Mère l’Oye in der fünfsätzigen Suitenfassung, eingerahmt durch einen Text, den wiederum Meinrad Schmitt verfasst hat und der die in der Musik auftauchenden Geschichten und Gestalten zu einer durchgehenden Handlung zusammenfasst. Sowohl der Text als auch die Erzählerin Katja Schild bezaubern durch natürlichen, unaufdringlichen Charme und für das Augsburger Orchester bedeutet dieses Projekt hörbar mehr als Routine. Bleibt nur zu hoffen, dass die durch Videos und Computerspiele berieselte Generation der Kids durch solch eine sensible und leise Kunst überhaupt noch zu erreichen ist.
 
Thomas Schulz

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