Johannsen, Paul

Crashkurs Musikgeschichte

Komponisten – Werke – Formen – Stile – Epochen, mit DVD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 64

Bücher wirken auch durch ihr optisches Erscheinungsbild. Jüngstes Beispiel: der Crashkurs Musikgeschichte mit dem attraktiv gestalteten Cover. Die Unterteilung in Epochen, Formen und Komponisten fördert die Leselust, denn die einzelnen, durchgehend bebilderten Kapitel sind kurz. Es wird also niemand überfordert, egal, wie alt er ist und wie wenig er vielleicht bisher über klassische Musik wusste. Autor Paul Johannsen stellt auf 104 Seiten die wichtigsten Stationen abendländischer Musikgeschichte griffig dar, angefangen bei der Musik der Antike bis hin zu den neuen Klangräumen, die etwa György Ligeti mit seinen Kompositionen eröffnete.
Da ein komprimierter Überblick über 1500 Jahre Musikgeschichte Akzente setzen muss, kann der Autor nur punktuelle Einblicke in Stile, Formen, Kompositionen geben. Dazu stellt er wichtige Werke und Epochen vor und gibt verlässliche Erläuterungen, zum Beispiel darüber, dass die wesentlichen Grundlagen der abendländischen Musikgeschichte im antiken Griechenland gelegt wurden, seit etwa 1000 vor Christi Geburt. Rot markiert sind Eigennamen und Fachbegriffe, zum Beispiel bei der gezupften Kythara, die sich zur Gitarre entwickelte, oder beim Oboenvorgänger Aulos.
Der Leser erfährt, dass in den griechischen Tragödien der Antike, die zum Beginn der Renaissance Vorbild für die Oper wurden, ein „Orchestra“ genannter Chor aus Sängern und Instrumentalisten kommentierend auftrat, und dass dem Philosophen Pythagoras die Musik als Abbild kosmischer Ordnung galt. Das Mittelalter bringt dann eine differenzierte geistliche Musik hervor, die der katholischen Liturgie noch heute als Grundlage gilt. Parallel dazu entstehen Minnesang und Meisterlied. Der gregorianische Choral wird zur Grundlage vieler geistlicher Kompositionen, und in Klöstern und Kathedralen entwickelt sich die Mehrstimmigkeit, deren Hauptgattung im 13. Jahrhundert die Motette abgibt.
Autor Paul Johannsen bezieht bei der Musik der Renaissance (wie auch sonst) außermusikalische Phänomene mit ein und berücksichtigt auch die jeweilige Zeitgeschichte. Im Barock entstehen – neben der relativ neuen Gattung der Oper – Solo-Konzerte und neue Gattungen im Bereich der geistlichen Musik. Zentrale Bedeutung kommt der Affektenlehre zu, der musikalischen Umsetzung von Empfindungen wie Bewunderung, Liebe, Hass, und es entwickelt sich der Basso continuo (Generalbass), der gewöhnlich von einem Tasteninstrument und einem tief klingenden Melodieinstrument ausgeführt wird.
In der Wiener Klassik ersetzt das „obligate Accompagnement“ den zum Teil improvisierten Generalbass, und es dominiert die reine Instrumentalmusik. Weitere Kapitel gelten der Romantik, der Musik der Jahrhundertwende, dem Impressionismus (Debussy und Ravel) wie auch der atonalen Musik Schönbergs. Der Autor verfolgt den Bogen der Epochen chronologisch bis in die Jetztzeit hinein mit Arvo Pärt, Wolfgang Rihm, Jörg Widmann, bevor er sich im Kapitel „Formen“ mit Motette und Madrigal, Requiem, Oratorium, Messe usw. befasst und die berühmtesten Komponisten knapp in Vita und Werk vorstellt, von Johann Sebastian Bach und Händel über Mozart und Beethoven bis hin zu John Cage und Ligeti.
Heide Seele