Kutterer, Siegfried

Crab Club

for Jazz Trio (Piano, Bass, Drums) & 3 classical Percussionists, Partitur und Stimmen, mit DVD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Verlag Neue Musik, Berlin 2014
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 76

Ein Schlagzeuger ist nicht nur ein Schlagzeuger ist nicht nur ein Schlagzeuger – so könnte man Gertrude Stein paraphrasieren, wenn man an den in Basel lebenden Siegfried Kutterer denkt. Denn der hat auch jenseits des klassischen Orchesters ein höchst aktives und vielseitiges künstlerisches Leben; bereits während seines Studiums war er 1977 Mitglied des Basler Sinfonieorchesters geworden. Unter Paul Sacher spielte er im Basler Schlagzeugensemble, er studierte an der musikethnologischen Fakultät der Universität Basel und engagiert sich vielseitig im Bereich der Weltmusik. Basierend auf seinen Kenntnissen der indischen und balinesischen Musik begann Kutterer erst recht spät als Autodidakt zu komponieren, im Verlag Neue Musik sind aber immerhin schon 16 seiner Werke erschienen, die meisten für Percussion-Ensemble.
Im aktuellen Crab Club lässt er sich durch die karnatische Musik Südindiens inspirieren, die er in diesem Fall mit dem Idiom eines Jazz-Trios verbindet. Diese Kombination funktioniert sehr gut, denn die indische Musik und der Jazz sind immanent geprägt durch die Spannung zwischen Komposition und Improvisation. Für Crab Club wählte Kutterer eine dreisätzige Form, die den typischen Spannungsbogen indischer Musik nachbaut. Der erste Teil (Ragam oder Alapana) ist rhythmisch sehr frei und führt den Hörer ein in das melodische System des Raga mit idealerweise fein modulierten Improvisationen. Im zweiten Teil (Taanam) tauchen die ersten durchgehenden rhythmischen Strukturen auf, bevor im Pallavi unter zunehmender Beschleunigung des Grundtempos das tonale Material in höchst komplexe und virtuose melodisch-rhythmische Phrasen gekleidet wird.
Für die drei klassischen Perkussionisten schreibt Kutterer sehr detailliert, wobei die Rhythmen der verschiedenen und mitunter klanglich verfremdeten Trommeln stark durch die Schlagpatterns der südindischen Doppelfelltrommel Mridangam geprägt sind. Die notierte Vorlage soll jedoch frei interpretiert werden. Auslassungen und besondere Phrasierungen sind möglich und erwünscht, solange die rhythmische Struktur nicht geändert wird. Das Jazz-Trio erhält für seine Improvisationen noch größeren Spielraum. Besonders interessant sind hierbei die unterschiedlich proportionierten Wechselspiele zwischen den Instrumentalgruppen im dritten Teil.
Auf der der Notenausgabe beiliegenden DVD ist der Mitschnitt einer Aufführung von Crab Club durch ein Ensemble des Komponisten zu sehen und zu hören. Hier wird der kommunikative Grundgedanke des Werks sehr deutlich. Allerdings bestätigt sich auch die Vermutung, dass in dieser Art von Fusion-Music vor allem die melodischen Subtilitäten des Alapana nicht annähernd an die der indischen Kunstmusik heranreichen.
Trotz dieser kleinen Einschränkung ist Crab Club eine lohnenswerte Herausforderung für die beteiligten Musiker und für jedes Publikum eine spannende Tour de Force, nach der sich alle einen erfrischenden Cocktail verdient haben. Ein Originalrezept aus dem titelgebenden Crab Club im indischen Kovalam findet sich dankenswerterweise am Ende der Partitur.
Stephan Froleyks