Werke von Hertel, L. Mozart, Molter, M. Haydn und Telemann

Core

Andre Schoch (Trompete), Stuttgarter Kammerorchester, Ltg. Susanne von Gutzeit

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Es-Dur
erschienen in: das Orchester 10/2024 , Seite 74

Andre Schoch, seit 2017 Trompeter der Berliner Philharmoniker, stellt mit seinem neuen Album Core eine sehr persönliche Auswahl an „Herzensstücken“ aus dem Repertoire für Solotrompete vor. Die fünf Konzerte auf der CD gehören mit zum Anspruchsvollsten, womit die Komponisten im 18. Jahrhundert die zum Zeitpunkt der Entstehung noch ventillose Trompete bedacht haben. Auf der modernen Piccolotrompete orientiert sich Schoch bei seinen Interpretationen des Concerto Nr. 1 in Es-Dur von Johann Wilhelm Hertel, des Trompetenkonzerts D-Dur von Leopold Mozart, des Concerto in D-Dur von Johann Melchior Molter, des Concerto Nr. 1 in C-Dur von Michael Haydn sowie des Concerto in D-Dur von Georg Philipp Telemann hörbar und mit Gewinn an der historischen Aufführungspraxis, die ein Teil seiner musikalischen Ausbildung war.
Seine Intonation, Spielfreude und Musikalität sind makellos; Schoch lässt die Trompete durchaus dominieren, was ja zum Wesen eines Solokonzerts gehört, bettet sich jedoch gleichzeitig dynamisch passend ins Begleitensemble ein. Aufhorchen lässt der im Vergleich zu anderen großen Interpretationen spürbar schnellere Duktus in den beiden zweisätzigen Konzerten von Leopold Mozart und Johann Michael Haydn. Das Stuttgarter Kammerorchester beweist wieder einmal, dass es ein kongenialer Dialogpartner für Solokonzerte ist; sensibel nehmen die Musikerinnen und Musiker die musikalischen Impulse des Solisten auf und verstärken sie gekonnt.
Andre Schoch gehört inzwischen zur Spitze der klassischen Trompetergilde. Nicht allzu viele Trompeterinnen und Trompeter sind in der Lage, diese Konzerte derart mühelos und technisch brillant abzuliefern – es ist eine wirkliche Freude, ihm zuzuhören, und es kommt selbst bei den heikelsten Passagen nie der Eindruck von Angestrengtheit oder bläserischen Grenzen auf. Souverän steht Schoch über dem Notentext und lässt zusätzlich viele spielerische Verzierungen und anspruchsvolle Kadenzen einfließen.
Im informativen und kompetenten Booklet weist der Solist speziell darauf hin, dass ihm nicht nur der repräsentative und majestätische Charakter der Trompete wichtig ist, sondern auch die Fähigkeit, empfindsame Töne für die Seele zu finden. Diesen löblichen Anspruch, den sich durchaus nicht alle klassischen Trompeterinnen und Trompeter zu eigen machen, nimmt man Andre Schoch insgesamt absolut ab.
Der englische Titel Core dieses Albums wurde wegen seiner Bedeutungsvielfalt ausgewählt. Es geht hier um den „Kern“, also die Seele des Tons, die Schoch mit seinem Spiel zum Ausdruck bringen möchte und ebenfalls um das Kernrepertoire des barocken Genres für die Trompete. Andre Schoch und das Stuttgarter Kammerorchester legen mit Core überzeugende Referenzaufnahmen mit hohem Wiedererkennungswert vor.
Kristin Thielemann