Zimmermann, Bernd Alois

Concerto pour violoncelle/Photoptosis/Tratto II

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 6776 2
erschienen in: das Orchester 12/2012 , Seite 74

Diese CD ist ein absolutes Muss für Freunde Neuer Musik. Sie vereint einige Referenzeinspielungen von Werken Bernd Alois Zimmermanns, allen voran das 1965/66 komponierte Concerto pour violoncelle et or­chest­re. Die Besetzung entspricht der Straßburger Uraufführung vom 8. April 1968. Der mit dem Werk Zimmermanns eng vertraute Cellist Siegfried Palm und das Sinfonieorchester des Südwestfunks unter Leitung des Franzosen Ernest Bour hoben das Konzert damals aus der Taufe. Unmittelbar danach entstand diese Aufnahme für den Südwestfunk. Es ist erstaunlich, mit welchem Engagement sich Palm dem Werk widmet und es in eine kontrollierte und bis ins Detail stimmige Interpretation gießt. Offenbar war er sich der Verantwortung bewusst, die seine Ersteinspielung für die Nachwelt besaß.
Zimmermanns Cellokonzert trägt den Untertitel “en forme de ,pas de trois‘”. Es handelt sich um eine „Synthese“ von Solokonzert und Ballettmusik. Zimmermann selbst meinte dazu: „Die Gattungen bleiben zwar in ihrem Gestus erhalten, werden aber in die höhere Einheit der absoluten musikalischen Form übergeführt und sind alle aus einer einzigen kompositorischen Keimzelle entwickelt.“ Kadenzartige Passagen folgen etwa der Tradition des Solokonzerts, während sich der Balletttyp „Pas de trois“ in der fünfteiligen Gliederung und in den stilisierten Tanz-Rhythmen spiegelt. Die vielfältige Musik ist zudem der Idee eines Capriccios verpflichtet. Zimmermanns Tonsprache gleitet stets fließend durch Stilepochen, Ausdruck seiner wegweisenden “pluralistischen” Kompositionsmethode, die er auch “Kugelgestalt” der Zeit nannte. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sollen sich in einem Kunstwerk verbinden, aufeinander treffen, sich gegenseitig bereichern. Typisch für Zimmermanns Einbezug von “Alltagsmusik” ist etwa der letzte Konzertsatz “Blues e Coda”. Das Cello imitiert zunächst eine Jazzgitarre und einen Zupfbass, später darf auch das Orchester verschroben “swingen”.
Ähnlich hochkarätig koordiniert Dirigent Hans Zender die flirrend-pittoresken Klangschichten im viertelstündigen Orchesterstück Photoptosis (1968). Es wurde am 19. Februar 1969 im Musiktheater im Revier/Gelsenkirchen unter Ljubomir Romansky uraufgeführt. Kurz danach entstand diese vorbildliche Aufnahme mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin. Ergänzt wird die vom Layout betont sachlich aufgemachte CD mit dem Werk Tratto II, das Zimmermann 1970 für die Expo-Weltausstellung in Osaka verfasste. Die elektronische 4-Kanal-Bandaufnahme ist ausschließlich aus Sinustönen gebaut und entstand im Studio für elektronische Musik der Hochschule für Musik Köln.
Erstmals 1972 auf einer Wergo-LP veröffentlicht, wurden die drei Einspielungen für diese digitale Neuauflage sorgfältig restauriert. Das Ergebnis klingt erstaunlich transparent. Eine schöne Zugabe: Im Booklet finden sich die originalen Werkeinführungen von Georg Kröll.
Matthias Corvin