Maurice Ravel

Concerto pour piano et orchestre

Édition révisée sous la direction de François Dru, Partitur

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Ravel Edition XXI Music Publishing ASBL
erschienen in: das Orchester 04/2020 , Seite 66

Der zweite Band der Ravel Edition ist dem Klavierkonzert (1929-31) gewidmet, mit Partitur und Klavierauszug in einem Band. Unter der Herausgeberschaft von François Dru unter Mitarbeit unter anderem von Cédric Tiberghien wurde ein halbes Dutzend Korrekturleser gerade auch aus der musikalischen Praxis hinzugezogen. Eine opulente, durchgängig zweisprachige französisch-englische Ausgabe mit mehreren Autoren für die einführenden und erläuternden Texte vermittelt den Eindruck nicht nur geballter Werkkenntnis, sondern auch sorgfältiger Betrachtung auch eher abseitiger Fragen (etwa der Aufführungspraxis im Bereich historischer Klangquellen).
Hauptquellen der Partitur sind einerseits Partiturautograf und Erstdruck von Partitur und Stimmen (die Korrekturfahnen der Partitur sind verloren) und andererseits die Korrekturfahnen des Auszugs für zwei Klaviere, die gerade für den Solopart wichtige zusätzliche Informationen bereitstellen. Doch wurden auch die (posthumen) Folgeauflagen der Partitur herangezogen, die teilweise substanziell vom Erstdruck abweichen (Evidenz aus historischen Aufführungsmaterialien hat offenbar keinen Eingang in die Edition gefunden).
Der Kritische Apparat (inklusive sämtlicher Varianten und Frühfassungen, die vor Veröffentlichung der Erstausgabe getilgt wurden) ist nicht länger als 22 Seiten; viele editorische Entscheidungen werden dokumentiert, aber nicht stichhaltig begründet.
Bei dem Klavierauszug handelt es sich nicht um den originalen Auszug von Lucien Garban (der in den Solopart aus Gründen der Praktikabilität teilweise auch substanziell eingegriffen hat), vielmehr wurde er von Jean-Pascal Beintus neu erstellt, um eine undurchschaubar hybride Zusammenführung von historischer Veränderung und heutiger partiturbezogener Neuausgabe zu vermeiden.
Die Edition erweist sich in jedem Falle als ausgesprochen benutzerorientiert. Die gute Lesbarkeit aller Teile (auch des Kritischen Apparats, trotz der argumentatorischen Mängel im Detail) und der nahezu unglaubliche Verkaufspreis sind dazu angetan, nach der steten Zunahme unautorisierter Eingriffe in die Folgeauflagen des Erstdrucks das Werk mittels eines von Eingriffen bereinigten, gesicherten und gleichzeitig praktisch nutzbaren Notentexts auch für zukünftige Generationen bereitzustellen.
Ein fast werbemäßig formuliertes Vorwort beeinträchtigt nur wenig den eigentlich rundum positiven Gesamteindruck. Dass Ravel (wie viele Komponisten) wenig von interpretatorischen Eingriffen hielt und die Realisierung des gegebenen Notentextes für essenziell ansah, ist zwar durchaus in Erinnerung zu rufen, mit Blick auf jüngste aufführungspraktische Tendenzen aber auch fast unnötig zu erwähnen.
Jürgen Schaarwächter