Alfredo Casella

Concerto per archi, pianoforte, timpani e batteria/ Paganiniana/Scarlattiana

Alessandro Taverna (Klavier), ­Orchestra della Toscana, Ltg. ­Daniele Rustioni

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 19075935122
erschienen in: das Orchester 07-08/2019 , Seite 69

Er selbst war von dieser geglückten „Fusion“ überzeugt. Der italienische Komponist Alfredo Casella war ein Meister darin, ältere Musik Jahrhunderte überwindend und verbindend in ein neues Gewand zu kleiden, und die Scarlattiana war wohl eines seiner Meisterstücke. Rund 80 Themen aus über 545 Sonaten von Domenico Scarlatti hat er hier zitiert, be­arbeitet, verwandelt und dem Klavier noch 32 Instrumente dazugesellt, die ihr Bestes dazu beisteuern, Scarlatti in einer neuen Übersetzung zu hören.

In der vorliegenden Aufnahme spielt Alessandro Taverna den Solopart an den Tasten, den der Komponist in der Uraufführung 1927 in der New Yorker Carnegie Hall höchstselbst übernahm, und entführt mit delikatem Zugriff in die Erinnerung an eine vergangene Zeit mit modernen Mitteln. Daniele Rustioni nimmt sein mit Leichtigkeit agierendes Orchest­ra della Toscana ausreichend zurück, wenn das Klavier aus seiner ursprüng­lichen Einzelgängerrolle bei Scarlatti befreit mit den anderen Instrumenten grazil dialogisiert, lässt aber im letzten Satz einen feurigen Aufgalopp zu, bei dem Streicher und Bläser die mitreißenden Klavierkaskaden aufnehmen und geschmackvoll mit viel Temperament weiterführen. Auch wenn die Scarlattiana von Heiterkeit, getupftem Farbenspiel und barocker Spielfreude durchzogen ist, wird hier eine motorische Kraft erlaubt, die in ihrer Verpackung weit über Scarlattis Zeit hinausweist.

Dieses Perkussive gehört zu Casellas Handschrift, ohne dominant zu sein. Vielmehr wird es als vorantreibendes und unterstützendes Element eingesetzt und erinnert daran: Ja, wir sind im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert eines Strawinsky, eines Prokofjew. Ein genialer Umgang mit der Musikgeschichte und eigener Kreativität, den das Orchester aufzudecken weiß. Und dann gibt es zarte Sangeslinien, wie das innige Violin-Thema in der „Romanza“ der Paganiniana. Dieses Divertimento für Orchester, das als Auftragswerk für den 100. Geburtstag der Wiener Philharmoniker 1942 aufgeführt wurde, basiert ebenfalls auf Themen eines Berufsvorgängers Casellas, eben des mythenumrankten Teufelsgeigers. Der Auftakt weist direkt dramatisch-rasant auf die Persönlichkeit, mit der man es hier zu tun hat, hin und lädt zur Virtuosität ein, die das Orchester munter-pointiert annimmt. Später entstehen von tänzerischer Lust beflügelte Abschnitte, die sich erst aus tiefem Bläsergrund hinaufschwingen müssen, um zu einer heiteren Szene zu werden. Ein Licht- und Schattenspiel um eine ebenso geartete historische Musikerfigur.

Rhythmusgeprägt beginnt auch das Concerto per archi, pianoforte, timpani e batteria op. 69. Dieses Werk ist ungleich sperriger, wenngleich auch hier feine Melodikmomente Ruhe bringen. Es ist 1943 unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs entstanden und von Dramatik geleitet, zu der der Klavierpart einen nicht unerheblichen Beitrag leistet. Zuweilen lösen sich nachdenkliche bis melancholische Passagen heraus, deren leise Kraft in einer berührenden Stimmungszeichnung liegt.

Sabine Kreter