Concerto No. 2

Rubrik: Noten
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Musik unserer Zeit? Es spricht für die Offenheit seines Editionsprogramms, dass der Verlag Schott im Rahmen seiner „Gelben Reihe“ – hier fanden einst Avantgardisten wie Bernd Alois Zimmermann und Krzysztof Penderecki ihre verlegerische Heimstatt – ein Werk wie das 2. Cellokonzert von Nino Rota veröffentlicht. Und dies im Jahr 2017, über vierzig Jahre nach seiner Entstehung. Denn wie ließe sich heute, in Zeiten der Post-Avantgarde, die musikalische Gegenwart treffender charakterisieren denn als Patchwork, als Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, als Zeittableau, auf dem uns eine beispiellose stilistische Vielfalt umgibt? Im Grunde eine ideale Situation: Nach Jahren der Grabenkämpfe herrscht endlich Pluralität; keine stilistische Richtung kann für sich beanspruchen, die eigentlich richtungweisende zu sein.
Oder sprechen wir hier von einem deutschen Problem? Haben sich andere Länder – zumal die angelsächsischen, aber vielleicht auch unser Traumland Italien – nicht stets leichter getan mit polystilistischer Gleichzeitigkeit? Fest steht: Nino Rotas 1973 entstandenes 2. Cellokonzert ist Musik unserer Zeit und hat alle Berechtigung, als solche wahrgenommen zu werden. Zudem war der Komponist ein echter Könner: 1911 geboren, galt Rota als komponierendes Wunderkind und schloss bereits 18-jährig sein Studium in Rom ab. Später wirkte er als Professor in Bari und schuf ein umfangreiches Œuvre, darunter zehn Opern sowie weitere Bühnen-, Konzert- und Kammermusikkompositionen. Seine größten Erfolge feierte Rota als Filmkomponist, unter anderem für Federico Fellini, Luchino Visconti und Franco Zeffirelli. Mit seiner Musik zu Francis Ford Coppolas Der Pate gewann Nino Rota einen „Oscar“.
Wer vor diesem Hintergrund ein spätromantisches, gar im Korngold’schen Fahrwasser plätscherndes Cellokonzert erwartet, wird überrascht sein: Rotas Musik trägt ausgesprochen klassizistische Züge. Die Orchesterbesetzung bleibt im klassischen Rahmen: doppeltes Holz, zwei Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Streicher. Das Konzert besteht aus zwei Sätzen, einem Allegro moderato in lupenreiner Sonatenhauptsatzform sowie einem Variationensatz, der in der Sequenz seiner Abschnitte die traditionell erwartbaren Folgesätze – Adagio, Scherzo, Finale – zusammenfasst. Höchst charmant – und zudem mittels Motivumkehrung aufeinander bezogen – präsentieren sich die Hauptthemen der beiden Sätze, die jeweils in ungetrübtem G-Dur beginnen und enden. Dem Soloinstrument ist alles gegeben, was ihm und seinen Spielern frommt: große Kantilenen, flinke Passagen in hohen Lagen, ruppige C-Saiten-Attacken, Doppelgriffe und Arpeggien. Und stets behandelt der Komponist das Orchester so, dass es dem Soloinstrument freie Luft zum Atmen lässt.
Weshalb Widmungsträger Mstislav Rostropovich das Werk links liegenließ, wissen wir nicht. War es selbst ihm „zu klassisch“? Erst nach Rotas Tod erlebte es 1987 seine Premiere. Heute sei das Werk als Musik, die Freude bereitet, allen Cellovirtuosen herzlich empfohlen.
Gerhard Anders