David Popper
Concerto No. 1 op. 8
for Violoncello and Orchestra, hg. von Tecwyn Evans / Martin Rummel, Partitur
„Mit Freude erblickten wir […] das Streben des Componisten, sich aus dem potpourriartigen Style der meisten Violoncellstücke emporzuarbeiten und mehr Einheit in die Composition zu bringen.“ Mit diesen Worten informierte die Neue Zeitschrift für Musik (NZfM) im Januar 1866 ihre Leser über eine Novität, die kurz zuvor im schlesischen Löwenberg durch die dortige, hoch angesehene Hofkapelle aufgeführt worden war: das 1. Cellokonzert von David Popper (1843-1913).
Seit 1863 war der nachmals berühmte Musiker – er machte als Solocellist der Wiener Hofoper, Solist und Lehrer Karriere – auf Empfehlung Hans von Bülows am Löwenberger Hof angestellt. Wenige Jahre zuvor hatte sich Fürst Friedrich Wilhelm Constantin von Hohenzollern- Hechingen den niederschlesischen Ort zur Residenz auserwählt. Er ließ einen Konzertsaal bauen, gehörte zu den Gründern des „Allgemeinen deutschen Musikvereins“ und wurde zu einem wichtigen Musikmäzen. Den Rezensenten-Worten zufolge dürfte das Löwenberger Orchester einer der professionellsten Klangkörper seiner Zeit gewesen sein. Beim Durchblättern der NZfM-Ausgaben dieser Jahre stellen wir erstaunt fest, dass Korrespondentenberichte aus Löwenberg selbstverständlich neben solchen aus Leipzig, Berlin und New York eingereiht sind.
Die Uraufführungsrezension des ersten Popper-Konzerts – in der vorliegenden Partiturausgabe leider nur in englischer Übersetzung wiedergegeben – berichtet, dass das neue Werk „viel Piquantes und Wirkungsvolles“ biete, obgleich es dem Komponisten „noch nicht vollständig gelungen sei, Herr der Form zu werden und zu einer vollkommenen Einheit im Styl zu gelangen“. Diesen Eindrücken können wir uns anschließen: Manches mutet, wenn nicht „potpourriartig“, so doch recht episodisch an, und überdies vermitteln einige Passagen den fatalen Eindruck von Landgewinnung mittels Sequenzierung und Streckung. Und auf die Gefahr des Beckmesserns: Gerade die Instrumentation, vom Rezensenten der NZfM anno 1866 durchaus gelobt, erscheint doch gelegentlich steif und ungeschickt.
Gleichwohl gilt dem Verlag Paladino und seinem umtriebigen Spiritus Rector Martin Rummel, der als brillanter Solist die Werke Poppers und vieler anderer komponierender Cellisten aufführt und auf Tonträger einspielt, Dank und Respekt. Virtuosen wie Popper hatten großen Anteil an der Weiterentwicklung ihrer Instrumente und ihres Repertoires und generell an der Lebendigkeit des Musiklebens im 19. Jahrhundert. Es wäre bedauerlich, blieben sie uns lediglich als Autoren strapaziöser Etüden in Erinnerung.
Poppers erstes Cellokonzert bietet dem Solisten alles, was Cellospielen spannend und dankbar macht: ausschwingende Kantilenen, spielerische Arabesken in hohen Lagen, rasante Läufe, Doppelgriff und Oktavpassagen. Und den Hauptthemen der drei ineinander übergehenden Sätze – insbesondere des romanzenhaften Andante maestoso und der anschließenden „knackigen“ Polacca – fehlt es nicht an Charme.
Gerhard Anders