Joseph Haydn
Concerto no 1 en do majeur Hob. VIIb. 1/Concerto no 2 en ré majeur Hob. VIIb. 2
Raphaël Pidoux (Violoncello und Ltg.), Jeune Orchestre de l’Abbaye aux Dames de Saintes
Seien wir gerecht: Zwar erscheint angesichts zahlreicher Konkurrenzaufnahmen eine Neuproduktion der Haydn’schen Cellokonzerte unter Repertoiregesichtspunkten nicht sehr originell. Allerdings ist das Cellorepertoire wirklich begrenzt. Oder doch zumindest jener Teil des Repertoires, der sich aus den Usancen des gängigen Konzertbetriebs ergibt. Dessen Fundus beginnt nun einmal nach wie vor mit der Musik der Wiener Klassik, und leider haben weder Mozart noch Beethoven dem Cello ein Solokonzert zugetraut. Haydn hingegen schrieb mutmaßlich acht oder neun Cellokonzerte, von denen zwei überliefert sind und als authentisch gelten dürfen. Insofern – und erst recht aufgrund ihrer musikalischen und cellistischen Reize – nehmen die beiden Werke eine singuläre Stellung ein. Bei aller Bewunderung für die Cellokonzerte Boccherinis, Carl Philipp Emanuel Bachs und andere Preziosen des 18. Jahrhunderts: Ohne Haydn geht’s nicht!
Zumal nicht für einen Solisten wie Raphaël Pidoux: Der 1967 geborene französische Musiker wird nicht allein als Cellist des Trio Wanderer und Solist romantischer und moderner Cellokonzerte, sondern auch als kompetenter Interpret der Musik des 18. Jahrhunderts auf historischem Instrumentarium gerühmt. Auf seinem mit Darmsaiten bespannten Rocca-Cello von 1680 spielt Pidoux die bekannten Werke mit solcher Lebendigkeit, dass uns von den ersten Tönen an viel „Unerhörtes“ – wiewohl keineswegs „gewaltsam Neues“ – begegnet. Alles atmet, alles klingt frei, und dass ihm neben einem gesanglichen Ton und dem Sensus für sprechende Phrasierung auch eine phänomenale Technik zur Verfügung steht, sei fast schon am Rande vermerkt.
Gemeinsam mit Pidoux – und von ihm geleitet – musiziert das Jeune Orchestre de l’Abbaye aux Dames de Saintes. Diese Institution wurde 1996 anlässlich des internationalen Festivals im westfranzösischen Saintes ins Leben gerufen und bietet Studienabsolventen die Möglichkeit, ein Jahr lang unter professionellen Bedingungen in einem Orchester mit historischen Instrumenten zu spielen.
Das Ergebnis kann sich wahrlich hören lassen: Farbige Bläserstimmen, brillante Geigen und eine warmer Untergrund fügen sich zu einem frischen, nachgerade „knackigen“ Orchesterklang, der pure Hörfreude bereitet. Im (vorklassischen!) C-Dur-Konzert mögen gelegentlich die ostinaten Begleitachtel ein bisschen zu wichtig geraten sein, doch erhält alles dadurch einen herrlich unsentimentalen Drive. Den hypertrophen Drehzahlerhöhungen, denen wir häufig im Finale dieses Konzerts beiwohnen müssen, folgen die Interpreten dieser Aufnahme glücklicherweise nicht. Sehr schlüssig wird auch der beträchtliche stilistische Schritt zum über zwanzig Jahre später entstandenen D-Dur-Konzert herausgearbeitet: Hier herrscht von Anfang bis Ende reinstes Wiener Cantabile.
„Happy new ears“ wünschte uns einst John Cage. Hier sind wir eingeladen, Haydn mit neuen Ohren zu hören! Keine Spur von „Schon wieder …“!
Gerhard Anders


