Price, Florence B.
Concerto in One Movement / Symphony in E minor
Das Center for Black Music Research (CBMR) am Columbia College Chicago setzt sich seit 1983 für die Musik der afroamerikanischen Minderheit in den USA von der Folklore bis zum Jazz, vom Pop bis zur Ernsten Musik ein. Es sammelt und erforscht Dokumente, Ton- und Filmaufnahmen sowie Partituren, stellt diese in einer eigenen Bibliothek bereit. Aktuell läuft eine Serie von CD-Veröffentlichungen, deren Aufnahmen von dem institutseigenen New Black Music Repertory Ensemble realisiert werden. Die hier besprochene CD mit Orchesterwerken der Komponistin Florence B. Price (1887-1953), eingespielt unter der Leitung von Leslie B. Dunner, ist die dritte der Reihe.
Die in Little Rock/Arkansas geborene Musikerin erlebte eine für eine Afroamerikanerin erstaunliche Karriere. Nachdem sie in Boston ein Diplom als Organistin erhalten hatte, schloss sie 1906 eine Prüfung als Klavierlehrerin am New England Conservatory ab und unterrichtete an einem College, bevor sie ab 1910 das Musikinstitut einer Universität in Atlanta leitete. In den 1920er Jahren zog sie nach Chicago, wo sie nicht nur unterrichtete, sondern auch mit ihren mehr als 300 Kompositionen für unterschiedlichste Besetzungen Anerkennung fand.
Das hier vorgestellte Concerto in One Movement für Klavier und Orchester hat Price selbst als Solistin 1934 in Chicago uraufgeführt, danach hat es eine ihrer Schülerinnen mit der Womens Symphony of Chicago
gespielt, bevor es vergessen wurde. Da die Originalpartitur verlorengegangen ist, hat der Komponist Trevor Weston, der übrigens an Pierre Boulez
Pariser IRCAM studierte, im Auftrag des CBMR eine Orchesterpartitur rekonstruiert. Das war anhand erhaltener Materialien vor allem Versionen für zwei bzw. drei Klaviere möglich, sodass das Werk im Februar 2011 mit der auch in der Studioaufnahme zu hörenden Solistin Karen Walwyn wieder erklingen konnte.
Dieses virtuose Anforderungen stellende Konzert bietet mit einem lyrischen Adagio zwischen raschen Ecksätzen farben- und kontrastreiche Musik. Man mag ein wenig an Rhapsody in Blue von Gershwin denken, doch tatsächlich sucht Price weniger als dieser den vordergründigen Effekt. Eine gewisse Parallele gibt es auch zu den sinfonischen Stücken des Stride-Pianisten James P. Johnson (1894-1955) aus jener Zeit. Doch Florence B. Price war erfolgreicher als dieser im Jazz aktive New Yorker. Denn ihre zuvor preisgekrönte viersätzige Symphony in E minor wurde 1933 vom Chicago Symphony Orchestra unter dem deutschen Dirigenten Friedrich Stock uraufgeführt: als erstes Werk einer Schwarzen im Repertoire eines führenden Orchesters der USA.
Die vorliegende Aufnahme fasziniert mit ihrer qualitätvollen, ausdrucksvollen Musik, die wie so viele Werke von Prices Landsleuten natürlich einiges Dvoráks Aus der Neuen Welt als Vorbild verdankt. Doch der unvorbereitete Europäer mag denken: Was ist denn das für ein mir nicht bekanntes Werk? Nun, beim Juba Dance im scherzohaften dritten Satz mit dem Pfeifen einer Wind Whistle mag es ihm vielleicht dämmern.
Günter Buhles