Händel, Georg Friedrich
Concerto grosso B-Dur HWV 312a
Erstausgabe, hg. von Stephan Blaut und Michael Pacholke, Partitur/ Stimmensatz
Georg Friedrich Händels Concerti grossi waren früher einmal zwar nicht gerade häufige, aber doch gelegentliche Gäste in den Programmen der großen Sinfonieorchester. Heute sind sie in den Konzerten der Spezialensembles für Barockmusik ob mit oder ohne alte Instrumente regelmäßig präsent. Gerne gespielt wird dabei die mit Flöten, Oboen, Streichern und Generalbass besetzte Nummer 1 aus op. 3, einer 1734 bei Walsh in London erschienenen Sammlung aus sechs Stücken, die aus unterschied-
lichen Quellen gespeist ist und in der auf diese Weise publizierten Form wohl nicht auf den Komponisten zurückgeht. Immerhin gibt es von der Nummer 1 noch andere Überlieferungen, sodass die Anlage dieses Concertos wohl authentisch sein dürfte. Mit der vorliegenden Ausgabe ist nun aber erstmals auch eine andere Version dieses Concerto grosso greifbar; eine, die in Dresden in der dortigen Staatsbibliothek zu finden ist: in einem von Johann Georg Pisendel geschriebenen vollständigen Stimmensatz und einer Partitur des ersten Satzes.
Diese womöglich in den 1720er Jahren in Italien von Pisendel aufgeschriebenen Stimmen liefern eine Fassung des Concerto grosso, die in zwei wesentlichen Momenten von der bekannten abweicht: An zweiter Stelle steht eine kurze Sarabande von 16 Takten, und der vierte Satz ist mit 57 Takten um 21 länger als die englische Version. Auch gibt es hier statt zweifach geteilter Bratschen nur eine Bratschenstimme, dafür dreifach geteilte Violinen. Die Sarabande war womöglich von Pisendel als Alternative zu dem hier mit Adagio statt Largo überschriebenen 83 Takte langen und mit zwei Flauti dolci, Oboe, zwei Fagotten, konzertierender Violine, vier Streicherstimmen und Generalbass reich besetzten g-Moll-Satz gedacht. Vielleicht hat der Dresdner Geigenvirtuose und Komponist auch die ergänzenden Takte im Schlusssatz geschrieben.
Die nun erschienene wissenschaftlich-kritische Ausgabe der Dresdner Fassung des Concertos liefert mit dem wie der umfangreiche und detailgenaue kritische Bericht belegt sorgfältig erarbeiteten Notentext eine vorzügliche Grundlage zu Beschäftigung und vor allem auch Aufführung des Werks.
Nach Durchsicht des mit Abbildungen zweier Originalseiten versehenen und gut lesbar layouteten Bandes fällt es nicht schwer, der Einschätzung der Herausgeber zu folgen, dass HWV 312a die in weiten Teilen schlüssigere Version des Concertos darstellt, und ihren Wunsch zu teilen, dass sie nun auch Eingang ins Konzertleben finde.
Gewidmet ist die Ausgabe als Band 11 der von Gerhard Poppe konzipierten und herausgegebenen Reihe Instrumentalmusik am Dresdner Hof dem lange Jahre in Halle wirkenden Musikwissenschaftler und langjährigen Vorsitzender der dortigen Händel-Gesellschaft Wolfgang Ruf zu dessen 70. Geburtstag.
Karl Georg Berg