Hartmann, Karl Amadeus

Concerto funebre

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 67142
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 73

Ein Schlüsselsatz im Booklet-Text der vorliegenden CD und zugleich ein Schlüssel zum Verständnis von Leben und Werk Karl Amadeus Hartmanns: Hartmut Lück merkt an, dass die Differenzen, die die Avantgarde-Protagonisten Nono, Boulez und Henze in den 1950er Jahren untereinander austrugen, „für den großherzigen Hartmann keine Rolle spielten“ und verweist damit nicht nur auf einen sympathischen Charakterzug, sondern auf die spezifische Position dieses Komponisten im Spektrum des 20. Jahrhunderts: Kaum ein anderer vermochte es – und besaß die Großherzigkeit! –, die divergierenden stilistischen Großquellen (Strawinsky, die Neue Wiener Schule, Bartók, Hindemith) für sein Schaffen dergestalt wirksam zu machen und zugleich die an ihnen klebenden Ideologien souverän zu überwinden. Wie in einem Brennglas spiegelt Hartmanns Musik ihre Entstehungszeit – jene dramatische und zugleich wundersam fruchtbare Epoche zwischen 1930 und 1960 – und repräsentiert zugleich ein hohes Maß an künstlerischer Originalität. Hinzu kommt, dass Hartmann in der kurzen Zeitspanne zwischen Kriegsende und seinem Tod 1963 Wesentliches für die Verbreitung der Neuen Musik geleistet hat: Als Komponist und als Leiter der Münchner Musica-Viva-Konzertreihe beeinflusste er eine ganze Generation von Künstlern und Hörern. Es ist nicht übertrieben, in ihm die verbindende Instanz zwischen den Zeiten vor 1933 und nach 1945 zu sehen.
Die vier hier eingespielten Werke umspannen ein Vierteljahrhundert. 1931 entstand die “Burleske Musik” für Bläser, Schlagzeug und Klavier: Ironie, Witz, provokantes Spiel mit trivialer Alltagsmusik – dies ist noch die Welt Kurt Weills und des frühen Hindemith. Wenig später, 1939, am Vorabend des Kriegs, komponierte Hartmann sein eindringliches “Concerto funebre” für Violine und Streicher. Den 1950er Jahren entstammen die beiden weiteren konzertanten Werke, deren Orchesterparts jeweils auf Streicher verzichten: das Klavierkonzert – gleichermaßen spielerisch und scharf dissonierend, basierend auf den „Variablen Metren“ des Hartmann-Freundes Boris Blacher – und das Konzert für Bratsche und Klavier, ein Werk, das kongenial die Gestaltungswelten Alban Bergs, Strawinskys und Bartóks bündelt.
In ihrer Werkauswahl, vor allem aber in ihren fulminanten Interpretationen ist diese CD schlicht ein Volltreffer. Vier junge Solisten sind aufgeboten – die Bratschistin Elisabeth Kufferath, der Geiger Benjamin Schmid, die Pianisten Yorck Kronenberg und Florian Uhlig – allesamt Meister ihres Fachs und über banales Kritikerlob längst erhaben. Unter der Leitung von Paul Goodwin – als Barockoboist begann er seine Karriere, mittlerweile hat er sich als vielseitiger Dirigent einen Namen gemacht – glänzt das SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern (mittlerweile per Fusion in die neugeschaffene Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern integriert) mit Verve, Spielfreude und beeindruckender Brillanz sowohl der solistischen Bläser als auch der verschiedenen Tuttiformationen.
Gerhard Anders