Johannes Matthias Sperger

Concerto für Viola und Orchester in D (Es)

mit zwei Solostimmen, Einrichtung, Fingersätze und Kadenzen von Vidor Nagy, Klavierauszug bearb. von Roland Heuer/Stefan Schreiber

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ikuro Edition, Stuttgart
erschienen in: das Orchester 01/2020 , Seite 65

Mit der Erstausgabe des Bratschenkonzerts von Johannes Matthias Sperger weckt der ungarische Bratscher Vidor Nagy ein klassisches Violakonzert aus dem Dornröschenschlaf und fügt so dem überschaubaren Angebot an Sololiteratur der Klassik für dieses Instrument einen weiteren Mosaikstein hinzu.
Der Komponist des gefälligen und heiteren Werks stammt aus Niederösterreich, sein Kompositionsstil ähnelt dem Mozarts in dessen Salzburger Zeit. Der umfangreiche kompositorische Nachlass Spergers ist in der Landesbibliothek Schwerin erhalten. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte der viel gereiste Musiker im kulturellen Zentrum Ludwigslust des Herzogtums Mecklenburg-Schwerin.
Der technische Anspruch des Violakonzerts stellte die Bratschisten der Zeit vor das kaum lösbare Problem, einen großen Tonumfang auf den damals im deutschen Raum gebräuchlichen Instrumenten klanglich befriedigend zu realisieren. Wolfgang Amadeus Mozart beschränkte sich derhalben auf einen kleineren Ambitus, während Sperger das Spiel bis zur 9. Lage ausweitet. Seinerzeit gab es die „Zwischenlösung“ der fünfsaitigen Viola, für heutige Instrumente spielt dieses Problem jedoch keine Rolle mehr. Trotzdem fügt der Herausgeber ei­ne „erleichterte Fassung“ für jüngere Spieler bei. Das ursprünglich in Es-Dur verfasste Werk wurde in der vorliegenden Ausgabe nach D-Dur transponiert, da es auf den modernen Instrumenten nicht mehr nötig erscheint, die Viola aus Gründen der klanglichen Brillanz höher zu stimmen.
Editorisch kennzeichnet die Ausgabe sauber die begründeten herausgeberischen Änderungen und Korrekturen durch entsprechende Anmerkungen. Im Klavierauszug ist die Originalversion Spergers wie im Manuskript wiedergegeben, während die Solostimmen in beiden Fassungen die Ausführungsvorschläge des Herausgebers enthalten.
Hier muss jedoch angemerkt werden, dass eine fertig eingerichtete Stimme mit ergänzenden dynamischen Vorschlägen, metronomisch genauen Tempo- und vollständigen Artikulationsangaben die Notenausgabe unübersichtlich macht. Sicher sind Ausführungsvorschläge von Interesse, jedoch erschwert eine solch detaillierte Ausgabe durch den nun notwendigen Vergleich mit der Originalversion das eigene Erarbeiten.
Geübte Musiker sind sicher in der Lage, eigene Ausführungsversionen – wie auch eigene Kadenzen – zu entwickeln, ohne dass die leider sehr eng gedruckte Notenausgabe durch erforderliche Einzeichnungen vollständig unübersichtlich wird. In dieser Hinsicht existieren beispielhafte Urtextausgaben anderer Verlage. Eine abgesetzte Notation der Tutti- von den Solostellen wie auch die gesonderte Notation der Kadenzen würde die Übersichtlichkeit des Drucks ebenfalls erhöhen, zumal im letzten Satz bereits nach 21 Takten geblättert werden muss, falls die Tut­ti durch die Solisten mitgespielt werden sollen.
Alles in Allem ist diese Neuausgabe eine dankenswerte Erweiterung des Violarepertoires.
Uwe Gäb