Max Bruch

Concerto for two pianos and orchestra/ Suite on Russian Themes

Mona & Rica Bard (Klaviere), Staatskapelle Halle, Ltg. Ariane Matiakh

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Capriccio
erschienen in: das Orchester 04/2021 , Seite 69

Schon zu Lebzeiten galt Max Bruch als konservativ. Obwohl ein solches Verdikt auch Brahms zuteilwurde, sah Schönberg in ihm den „Progressiven“. Die beiden auf dieser Neuerscheinung kombinierten Werke könnten auch Zukunftsweisendes bei Bruch zeigen bei Umarbeitungen vorhandener Stücke und der Verwendung von Volksliedern.
Der Suite nach russischen Volksmelodien (1903) gingen Lieder und Tänze über russische und schwedische Melodien für Violine und Klavier op. 79 voraus, von denen Bruch Teile instrumentierte und mit weiterem Material anreicherte. Zwar ist das Arrangieren von Werken für andere Besetzungen im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich – Bruchs Neufassung der Suite Nr. 3 für Orchester und Orgel op. 88b zum Konzert für zwei Klaviere und Orchester (1912) aufgrund der klanglichen Differenz hingegen durchaus. Die Nicht-Endgültigkeit der Klanggestalt ist für manch späteren Komponisten typisch (z. B. Ravel), ebenso der Aspekt der Arbeitsökonomie.
Nationale Schulen hatten im 19. Jahrhundert fast ausnahmslos die Musik des jeweils eigenen Landes bzw. Kulturkreises im Blick. Sein Interesse an Volkmusik führte Bruch zu internationaler Ausrichtung, Werke von ihm beruhen u. a. auf schottischen, schwedischen oder jüdischen Quellen. Für die russische Suite entnahm Bruch u. a. Melodien aus der Sammlung von Balakirew, die er in fünf Sätzen dramaturgisch geschickt anordnete: Gegensätzliche Charaktere lässt er aufeinanderstoßen (z. B. einen burlesken Tanz und einen Trauermarsch), klangfarbliche Reminiszenzen nutzt er zu formalen Verklammerungen (z. B. elegische Englischhorn-Partien); die Strophenstruktur einzelner Sätze wird durch instrumentale Wechsel, Einschübe und melodische Kombinationen von Monotonie befreit. Das abschließende Lied der Wolgaschlepper erscheint fast als Zitat, das in sinfonischem Duktus verarbeitet wird.
Die kuriose Entstehungsgeschichte des Konzerts für zwei Klaviere ist im sehr informativen Booklet anschaulich beschrieben. Das anfängliche Andante in as-Moll ist die musikalische Darstellung einer Karfreitagsprozession, hier wird ein aus einem Dreiklangsmotiv bestehendes Motto zu einer Fuge in Beziehung gesetzt. Es folgt ein Sonatensatz mit langsamer Einleitung in E-Dur, in der Form auf die Hauptgedanken fokussiert, die Schlussgruppe erinnert an Mendelssohn. Dem liedhaften Adagio, das partiell salonhafte Züge trägt, folgt ein marschartiges Finale, in dem das Motto wieder aufgenommen wird.
Die Staatskapelle Halle spielt diese Stücke klangschön, sehr selten treten Intonationstrübungen auf. Die Aufnahmen sind plastisch, geben den hohen Streichern zuweilen etwas wenig Raum. Das exzellente Klavierduo Mona und Rica Bard spielt die Klavierparts sehr klar und durchsichtig, ohne Pathos. Die Qualität des Klavierspiels der beiden Schwestern ist umso mehr anzuerkennen, als es sich um eine Liveaufnahme handelt, deren Datierung 9./10. März 2020 ganz knapp vor Beginn der pandemiebedingten Schließungen lag.
Christian Kuntze-Krakau