Balakauskas, Osvaldas

Concerto for Oboe, Harpsichord and Strings

Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Verlag Neue Musik, Berlin 2014
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 76

Der litauische Komponist Osvaldas Balakauskas ist in der Musikwelt kein Unbekannter. Seine Werke waren nicht nur im Osten gefragt, wo sie früher bei PWM Edition in Krakau veröffentlicht wurden. Inzwischen ist die zeitliche Befristung des Vertrags und somit die Bindung Balakauskas’ dort abgelaufen. Der Verlag Neue Musik in Berlin fand die zum Teil älteren Kompositionen immer noch so bemerkenswert, dass er nun zahlreiche Werke, vorwiegend Kammermusik, des inzwischen bald achtzigjährigen Tonkünstlers unter Vertrag nahm. So ist es nicht verwunderlich, beim Konzert für Oboe, Cembalo und Streicher das ältere Entstehungsdatum 1981 zu finden. Ein äußerer Anlass zu der Komposition ist nicht bekannt. Inzwischen gibt es auch Einspielungen des Konzerts, beispielsweise eine aus dem Jahr 2000 bei einem schwedischen Label. Außerdem kann man es sich im Internet auf YouTube anhören.
Das Konzert, das gut eine Viertelstunde dauert, ist nach klassischem Muster dreiteilig angelegt mit zwei schnellen Ecksätzen sowie einem langsamen Satz. Dieser ist für die Oboe zugeschnitten und das Cembalo schweigt. Die Besetzung mit Cembalo mag assoziativ zunächst ein in barockes Licht getauchtes Werk suggerieren; selbst der 12/8-Takt erinnert an ein wiegendes Siciliano. Angesichts stürmischer, gar zorniger Melodiefetzen, zerhacktstückt mit aufgeregten und hineingeworfenen Oboensechzehnteln und einem Cembalo, das als Rhythmusinstrument verwendet wird, bleibt jedoch wenig barocke Herrlichkeit übrig. Balakauskas wollte so etwas selbstverständlich auch gar nicht.
Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang die Entstehungszeit 1981, in der Künstler im Osten die ersehnte Freiheit endlich ohne Reglementierung kompositorisch umsetzen durften. Während im zweiten Satz die Oboenstimme auf der einen Seite beinahe militärisch anmutende Rhythmen mit Dreiklangsbrechungen zu spielen hat, entschweben die gedämpften Streicher mit ihren leichten Flageolett-Tönen. Der Finalsatz scheint mit seinen ätherischen Klängen auf der Suche nach einem unbekannten Land. Das Leitthema, mit rhythmisch vorwärtsdrängenden Sechzehnteln der Begleitstimmen in Fahrt gesetzt, hat hier mehr die Violine als die Oboe inne, die eher einen teilweise virtuosen Kontrapunkt setzt. Kurios: Das Cembalo tritt als Soloinstrument in den Hintergrund, dient lediglich noch als Continuum.
Die Solostimmen sind weniger nach klassischem Concerto-Muster im trauten Zusammenspiel oder als musikalischer Wettbewerb eingesetzt, sondern als Klangfarbe in den Gesamtkomplex eingebunden und gehen kaum aufeinander ein. Deswegen gibt es auch so etwas wie eine Kadenz nicht. Das Concerto folgt also kaum mehr den herkömmlichen Maßstäben des Konzertierens, besitzt dennoch deutliche Züge eines Konzerts.
Werner Bodendorff