Concerto
Im umfangreichen kompositorischen Werk von Jean Françaix findet man zahlreiche Solokonzerte. Darunter auch einige für seltener bedachte Instrumente wie Harfe, Fagott, Gitarre, Cembalo, Akkordeon oder eben Kontrabass. Das nur etwa fünfzehn Minuten dauernde Bass-Concerto entstand 1974 und ist dem Solobassisten Wolfgang Güttler gewidmet. Das Orchestermaterial ist bei Schott nur leihweise erhältlich, es sieht neben zehn Bläsern (je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Hörner) einen Streicherchor vor, bei dem der Kontrabass weggelassen wurde.
Nun hat der Komponist und versierte Bearbeitungspraktiker Henning Brauel einen Klavierauszug vorgelegt, der es möglich macht, das spritzige Werk auch im Vorspiel oder im Sonatenabend aufzuführen. Brauel, der sich u.a. einen Namen machte mit der Bühneneinrichtung von Victor Ullmanns Der Kaiser von Atlantis geht bei der Bearbeitung des Concertos sehr ökonomisch vor: Der Bass in Solostimmung kann in dieser Fassung vom Klavier nicht überdeckt werden.
Das sehr lebendige Concerto mit den vier Sätzen Tempo di marcia, Scherzando (mit Trio), Andante und Vivace ist von spielerischem Witz und subtiler Ironie geprägt. Françaix, der ja einen bemerkenswert einheitlichen Stil verfolgte, ist auch hier mit seiner Handschrift sofort erkennbar. Er öffnet einen Gewürzschrank voller Ideen und hebt das kleine Werk auf die Ebene einer höchst niveauvollen Spielmusik. Die Außensätze in A-Dur leben von schier unendlichen Triolenketten. Das H-Dur-Scherzo, das in ein seltenes Cis-Dur-Trio mündet, hat viele chromatische Elemente in sich. Das melodische Andante ist für den Solisten ausschließlich im Violinschlüssel notiert, es verliert sich zum Schluss in ruhigen, hohen Töne im Pianissimo.
Die in Solostimmung gehaltene Kontrabassstimme ist mit zahlreichen Fingersätzen versehen, auch strichtechnisch gibt es viele konkrete Vorschläge. Die Bezeichnungen sind mal italienisch, mal französisch: moderne Kontrabassisten sind ja heute in jedem Fall polyglott. Eine Kadenz gibt es nur im Finalsatz, aber diese hat es durchaus in sich. Sie ist nicht nur relativ lang im Vergleich zum Umfang des Satzes, sie wartet auch mit einigen technischen Herausforderungen auf. In der Klavierstimme findet man Hinweise auf die originalen Orchesterbesetzungen. Wenn der Pianist weiß, dass er Streicher im Pizzicato zu ersetzen hat, eine Flöte oder Oboe kopieren soll oder eine Kombination aus Fagott und Horn darstellen muss, kann er seinen Anschlag entsprechend modifizieren. Auf jeden Fall muss er sich für eine Aufführung einen Umblätterer mitbringen: Man hat immer beide Hände voll zu tun.
Die Klavierauszug-Fassung bereichert nicht nur die Sammlung Musik für Kontrabass des Schott-Verlags, sondern insgesamt das solistische Bass-Repertoire mit einem zeitgenössischen und doch spielbaren Stück voller Klarheit, Witz und Anspruch.
Wolfgang Teubner