Weinberg, Mieczyslaw

Concertino op. 42

für Violine und Streichorchester, Klavierauszug mit Violinstimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Peermusic, Hamburg 2007
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 75

Der 1919 in Warschau geborene Komponist Mieczyslaw Weinberg gehört zu jenen Künstlern des 20. Jahrhunderts, deren Wirken stets von politischer Unterdrückung und rassistischer Verfolgung überschattet wurde. Im Jahr 1939 musste Weinberg nach dem deutschen Überfall auf Polen aus seiner Heimat über die Zwischenstation Minsk bis nach Taschkent fliehen. Gefördert von Dmitri Schostakowitsch konnte Weinberg schließlich nach Moskau übersiedeln, wo er bis zu seinem Lebensende im Jahr 1996 wirkte und sich zu einem der führenden sowjetischen Komponisten entwickelte, wenn auch zu Stalins Zeiten von antisemitischen Strömungen und kulturpolitischen Zwängen bedrängt.
Weinberg, dessen umfangreiches Œuvre im westeuropäischen Musikleben lange Zeit kaum beachtet wurde, erlebt in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Wieder- oder vielmehr Erstentdeckung. Einer großen Öffentlichkeit wurde er bekannt, als seine Oper Die Passagierin bei den Bregenzer Festspielen 2010 ihre szenische Uraufführung erlebte und einen sensationellen Erfolg erzielte. In dessen Gefolge gelangte auch Weinbergs Idiot 2013 in Mannheim auf die Bühne, und parallel dazu entwickelte sich das Interesse für Weinbergs umfangreiches Orchester- und Kammermusikschaffen, von dem vieles inzwischen auf Tonträgern oder in Noteneditionen zugänglich ist.
Einen Beitrag zur Popularisierung von Weinbergs Musik leistet auch die vorliegende Edition des Concertino op. 42 für Violine und Streichorchester im Klavierauszug (nebst separater Solostimme). Das 1948 im Schatten der für Weinberg bedrohlichen sowjetischen Formalismus-Debatte entstandene, etwa 20 Minuten dauernde Werk zeigt eine klassizistische Grundhaltung und befleißigt sich einer tonal gebundenen, wenn auch freizügig um die Zentren a-Moll bzw. (im Mittelsatz) g-Moll schweifenden Musiksprache. Die Tempobezeichnungen Allegretto cantabile, Lento und Allegro moderato poco rubato lassen bereits den überwiegend lyrischen Grundcharakter der Komposition erkennen. Die Solostimme ist dennoch durchaus anspruchsvoll gehalten: mit gelegentlichen Doppelgriffen, flinkem Passagenwerk und Spiel in hohen Lagen.
Das Orchester spielt bei den Themenexpositionen des Solisten eine untergeordnete Rolle, beschränkt sich dort zunächst auf akkordische wie rhythmische Grundierung und übernimmt erst allmählich die von der Solovioline vorgestellten Gedanken. Eigenständig tritt es nur selten so deutlich hervor wie im gespenstisch huschenden Mittelteil des Finalsatzes. Sein Begleitpart bewegt sich dem Vorwort der Edition zufolge „im Rahmen der Möglichkeiten eines anspruchsvollen Jugend- oder Amateurorchesters“ – diese Einschätzung ist angesichts des vorliegenden Klavierauszugs nachvollziehbar, der auch zum Musizieren in der Besetzung Violine/Klavier durchaus geeignet ist.
Gerhard Dietel