Hans Gál
Concertino for Cello & Strings/Solo Cello Sonata/ Solo Cello Suite
Matthew Sharp (Violoncello), English Symphony Orchestra, Ltg. Kenneth Woods
Hans Gál war ein Jahrhundertkomponist. Und ohne ihm zu nahe treten zu wollen, muss gleich angemerkt werden, dass sich hinter dieser Formel weniger eine Bewertung seines Schaffens als vielmehr ein Blick auf sein schöpferisches Leben verbirgt: Gál starb 1987 siebenundneunzigjährig, das 20. Jahrhundert und seine Vita sind fast deckungsgleich.
Erstaunlicherweise haben die Umbrüche des Saeculums, seine stilistischen Evolutionen nur geringe Spuren in seiner Musik hinterlassen. Gál kultivierte bis in seine späten Jahre eine Schreibart, die auf der deutsch-österreichischen Spätromantik basiert. Rhythmische und harmonische Schärfungen à la Schönberg oder Strawinsky suchen wir nahezu vergebens, und auch in formaler Hinsicht vertrat Gál eine konservative Haltung: Er orientierte sich an den gängigen Genres und Gattungen, zur Freude insbesondere der Kammermusiker, die in Gáls Œuvre gut spielbare, profund gesetzte Werke für fast alle Besetzungen finden.
Gál studierte in Wien und wirkte später dort als Theorielehrer sowie ab 1929 als Konservatoriumsleiter in Mainz. Seit 1938 lebte er in England. 1945 erhielt er eine Stelle als Lehrer für Theorie und Komposition an der Universität Edinburgh und entfaltete dort eine rege Tätigkeit als Pianist, Dirigent und – so berichtet eine Quelle – Persönlichkeit mit anregend scharfen Ansichten.
Das 2002 gegründete, innovative britische Label Avie Records hat bereits mehrfach Werke Gáls produziert. Die vorliegende CD enthält drei Cello-Kompositionen: das 1965 entstandene Concertino sowie zwei Solowerke, die Gál als 92-Jähriger schrieb. Solistischer Protagonist der Aufnahme ist Matthew Sharp, ein durchaus vielseitiger Künstler, der neben seiner Instrumentalkarriere auch als Sänger und Schauspieler Erfolge feiert.
Bei allem Respekt vor Sharps Einsatz für die selten gespielten Werke: Sein stilistischer Ansatz vermag nicht durchweg zu überzeugen. Häufig ist sein Spiel von einem allzu kraftbetonten „Breitband“-Klangideal geprägt. Er kultiviert einen Riesen-Ton, sein Vibrato mutet elektrisch aufgeladen an, seine Lagenwechsel-Ästhetik gemahnt bisweilen an die konfuzianische Weisheit „Der Weg ist das Ziel“. Dies ist um so bedauerlicher, als Gáls Musik in ihrer erzählerischen Entspanntheit, ihrer Transparenz, ihrem häufig tänzerischen Gestus einer solchen Spielweise eigentlich entgegensteht. Im Concertino begleitet das English Symphony Orchestra unter Kenneth Woods mit unaufgeregtem Wohlklang und spielerischer Raffinesse.
Alle drei Werke bieten dem Soloinstrument reiche Entfaltungsmöglichkeiten. Und wie bei einem Komponisten dieses Zuschnitts kaum anders zu erwarten, ist es vor allem die kantable Seite des Cellos, die hier zur Geltung kommt, wobei der Gestus der Suite op. 109b deutlich an barocke Vorbilder anknüpft und somit reizvoll zum Schwesterwerk, der Sonate op. 109a, kontrastiert.
Trotz interpretatorischer Vorbehalte: Die Begegnung mit Hans Gál lohnt!
Gerhard Anders