Antonio Vivaldi
Concerti per archi III e Concerti per viola d’amore
Alessandro Tampieri (Viola d’amore), Accademia Bizantina, Ltg. Ottavio Dantone
Das böse Bonmot von Strawinsky, Vivaldi habe nur „ein Konzert geschrieben und dies 500 Mal“, geht von einer Absolutsetzung des Notentextes aus, die die vom Barockkomponisten erwartete Freiheit der Interpreten und deren Improvisationsvermögen nicht im Blick hat.
Wie lebendig und vielfältig Vivaldi klingen kann, unterstreicht die ihm gewidmete CD-Edition. Die inzwischen 56 Folgen der Vivaldi-Edition bei Naïve haben eine beachtliche Zielsetzung und einen hohen Anspruch. Konzipiert von dem italienischen Musikwissenschaftler Alberto Basso und getragen von dem unabhängigen französischen Label Naïve sollen rund 450 Vivaldi-Autografen eingespielt werden. Seit 18 Jahren läuft dieses Unternehmen schon, nach dreijähriger Pause infolge finanzieller Engpässe geht es weiter. Die Noten entstammen dem Privatbesitz des venezianischen Komponisten. Viele dieser Werke sind seit dem Tod des Komponisten in Wien 1741 nicht mehr erklungen. Die Edition hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch der Vokalmusik Vivaldis den ihr gebührenden Rang einzuräumen.
Die 56. Folge der Edition vereint auf zwei CDs 13 Concerti per archi und die fünf Concerti per viola d’amore. Als Interpreten wurde die von Ottavio Dantone geleitete Accademia Bizantina nebst Alessandro Tampieri (Viola d’amore) verpflichtet. Das Originalklang-Ensemble wurde innerhalb der Edition schon mehrfach eingesetzt, beispielsweise bei Vivaldis Oper Tito Manlio. Dantone und sein Ensemble haben aber auch bei Decca oder Arts Music eine reichhaltige, nahezu ausschließlich dem Barock gewidmete Diskografie vorgelegt. Bei den dreisätzigen Streicherkonzerten Vivaldis lässt der Cembalist Dantone seine Musiker ungemein vital, impulsiv, mit Schwung und Temperament musizieren. So lebendig hört man Werke Vivaldis selten, auch wenn die Messlatte seit dem Siegeszug der Originalklang-Ensembles deutlich höher liegt.
Zur Lebendigkeit des Musizierens der mit nur vier ersten Geigen auskommenden Accademia Bizantina trägt auch der sehr freie Umgang mit den Partituren bei. Dantone und seine Musiker nutzen nicht nur improvisatorische Momente, es werden auch gelegentlich Stimmen hinzugefügt. Sicher eine nicht ganz unproblematische Vorgehensweise bei einer Einspielungsserie, die sich der Wiederentdeckung des „originalen“ Vivaldi verschrieben hat. Das klangliche Ergebnis indes ist sehr überzeugend, wird zudem von der transparenten Aufnahmetechnik unterstützt.
Dies gilt auch für die seltener zu hörenden Viola d’amore-Konzerte, die Alessandro Tampieri spielt. Er ist ein Interpret der markanten Tongebung, emotional aufgeladen, dunkel im Timbre, gelegentlich auch etwas herb im Klangbild. Dank des kraftvollen Zusammenspiels mit Dantone und seinen Musikern auch hier ein mehr als hörenswerter Vivaldi. Auf die kommenden Folgen der Edition darf man gespannt sein.
Walter Schneckenburger