Arcangelo Corelli

Concerti grossi aus op. 6/Sinfonia Santa Beatrice d’Este

Freiburger Barockorchester, Ltg. Gottfried van der Goltz

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aparte Music AP190
erschienen in: das Orchester 04/2019 , Seite 68

Wir haben es getan. Ja, wir haben es sogar wiederholt getan. Wir haben es getan, obwohl es sich unter Klassikfreunden nicht gehört, und wir haben uns dafür als „Kindsköpfe“ bezeichnen lassen müssen. Wir haben es – unter Schimpf und Schande – sogar mehrfach wiederholt getan, und ja, wir haben es genossen. Wir haben bei Nr. 13 und Nr. 17 die Repeat-Taste gedrückt, immer und immer wieder, und haben uns sehr daran gefreut. Es hat uns ein Leuchten ins Gesichts gezaubert, denn es ist eine so herrliche Musik, ein so wundervolles Ensemble. Die Familie hat sich daran gewöhnt, dass sie bei dieser CD einige Stücke immer mehrfach hören muss – wie bei einem pubertierenden Popfan. Ja, wir stehen dazu, dass es uns hier exakt so geht. Vielleicht ist es ja auch Popmusik, wenn auch vor 300 Jahren entstanden.
Historisch gesehen sind Corellis Concerti grossi so etwas wie der Durchbruch zur Weltmusik. Was zuvor nur am französischen Hof gängig und stilistisch so artifiziell war, dass es eigentlich niemand anderes als die Musiker in Versailles spielen konnte, gelang dem Italiener um die Jahrhundertwende 1700: der reinen Instrumentalmusik den Weg zu bereiten. Alle wollten plötzlich diese Musik haben, und so bestellte der pfälzische Kurfürst für seinen Amtssitz und die Kapelle in Düsseldorf beim italienischen Meister mehrere Concerti. Der betagte Komponist lieferte sie tatsächlich noch kurz vor seinem Tod 1713. Johann Wilhelm bedankte sich herzlich und ehrte den alsbald Verstorbenen posthum mit dem Ehrentitel „Marquise de Ladenbourg“ (das ist ein kleiner, reizender Ort in der Nähe des damaligen kurpfälzischen Stammsitzes Heidelberg). In Amsterdam wurden die zwölf Concerti und Sonaten gedruckt – ein Welterfolg bis heute.
Das Freiburger Barockorchester wählte nun für diese CD die Concerti 1 bis 5 sowie Nr. 7 und dazu die Sinfonia Santa Beatrice d’Este aus. Die Solisten Gottfried van der Goltz und Petra Müllejans (Violinen) sowie Guido Larisch (Cello) sind ganz in dieser Musik zuhause. Ihre fantasiereiche Artikulation lässt die Musik sprechen, und die italienischen Verzierungen bringen etwas Improvisatorisches hinein. Eine Leichtigkeit des Tons beflügelt die schnellen Sätze. Der füllige Sound der Barockoboen, das groovende Fagott (Nr. 17, Vivace im c-Moll-Concerto op. 6/3) und je zwei Trompeten und Posaunen machen die einzelnen Sätze abwechslungsreich und klangprächtig, wobei der Wechsel zwischen kleinerem Concertino und Tutti den Haupteffekt macht. Es ist belegt, dass Corelli selbst seine Concerti gelegentlich mit weiteren Instrumenten aufstockte.
Dass Händel viel von ihm gelernt hat, ist offensichtlich. Corelli, ein maßlos unterschätzter Komponist des Barock, dessen beliebtes „Weihnachtskonzert“ op. 6/8 sich nicht auf dieser CD findet.
Matthias Roth