Lalo, Édouard
Concertante Works for Violin, Cello & Piano
Soloists of the Queen Elisabeth Music Chapel, Liège Royal Philharmonic, Ltg. Jean-Jacques Kantorow
Dass es Édouard Lalo zu Lebzeiten schwer hatte in seiner Heimat Frankreich, die gebührende Anerkennung zu erfahren, mag daran gelegen haben, dass seine Musik den Landsleuten als zu deutsch erschien. Auch Lalos Erfolgsstück, die Symphonie espagnole op. 21, beginnt mit insistierend dramatischer Geste wie eine Beethoven-Reminiszenz, geht dann aber ganz andere Wege. Die stilistische Vielfalt von Lalos Musik ist bemerkenswert, ihre klanglichen Finessen bereiteten den Nährboden für Debussy (der Lalos Ballett Namouna bewunderte).
Lalo verband virtuose Bravour und melodische Erfindungsgabe mit symphonischem Anspruch auch und vor allem in seinen Konzerten, die hier erstmals in Gesamteinspielung vorliegen. Die strotzt vor rhythmischer Vitalität und Klangschärfe, was ein blendend aufgelegtes Orchester aus Liège betrifft. Auch an emotionaler Unmittelbarkeit wirkungsvoller Solokantilenen herrscht kein Mangel.
Was für Brahms Joseph Joachim gewesen ist, war für Lalo der spanische Geigenvirtuose Pablo de Sarasate. Fast alle der zahlreichen Violinkonzerte sind ihm gewidmet und beziehen mit unterschiedlichstem Anspruch diverses Nationalkolorit ein: Die Fantaisie norvégienne zeigt nicht nur Einflüsse norwegischer Volksmusik, sondern ist unmittelbar auf Edward Grieg bezogen, Guitare für Violine und Orchester op. 28 richtet spanische Rhythmen und Flamenco-Valeurs auf unterhaltsame Weise an. Aber auch Lalos Hauptwerke schwanken ambivalent zwischen dem Willen zur Tiefe und vordergründiger Brillanz, was selbst die Symphonie espagnole für Violine und Orchester gelegentlich etwas holzschnittartig erscheinen lassen kann. Zigeunerisch gefärbtes Melos im Kopfsatz, heitere Tanzsätze, wie für den Ballsaal geschaffen, verspielte Volkstümlichkeit im Rondo und ein wunderhübsches Andante, das grabesschwer beginnt, als befänden wir uns plötzlich im Parsifal all das leidenschaftlich vorgeführt von Lorenzo Gatto.
Besonders eindrucksvoll kommt das von Elina Buksha mit großem Ton zelebrierte Concerto Russe daher: eine viersätzige Apotheose der Elegie, die mit bedeutungsschwangeren Bläserchorälen beginnt und deren rückhaltloses Schwelgen im Gesang manchmal am Rande des Kitsches stattfindet, im feierlichen Schlusssatz mit ganz breitem Pinsel. Leidenschaftliche Expressivität beherrscht auch das Cellokonzert d-Moll, dessen Melancholie nicht nur die langsamen Einleitungen transportiert; Ori Epstein lässt das populäre Werk mit glühendem Vibrato aufblühen. Ein wenig überstrapaziert zeigt sich das Pathos im Klavierkonzert f-Moll (Nathanael Gouin), nicht nur im schmissigen Finale naturgemäß mit vollgriffiger Akkordik und virtuosem Passagenwerk.
Dirk Wieschollek