Ludwig van Beethoven

Composing Beethoven. Clarinet Trios

Kilian Herold (Klarinette), Peter-Philipp Staemmler (Violoncello), Hansjakob Staemmler (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 11/2020 , Seite 70

Klarinettentrios von Beethoven? Nun, bekannt ist immerhin das sogenannte Gassenhauertrio in B-Dur op. 11, geschrieben 1797 für den Klarinettenvirtuosen Joseph Bähr. Seine Popularität verdankt es den Final-Variationen über ein Thema, das die Spatzen damals von den Dächern Wiens pfiffen: die kesse Melodie des Terzetts „Priach’io l’impegno“ („Bevor ich ans Werk geh’“) aus der Oper L’amor marinaro des Salieri-Schülers Joseph Weigl. Ein Ohrwurm, dem Beethoven in neunfacher Abwandlung die triviale Note austrieb.
Das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel scheint wie geschaffen für den Meisterklarinettisten Kilian Herold, Gastsolist namhafter Orchester und begehrter Hochschullehrer, und die Brüder Staemmler: Peter-Philipp, Solocellist im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, und Hansjakob, Pianist, Kammermusikpartner von Gnaden. Mit Wonne huldigen sie dem Variationsgenie des Jubilars, der zuletzt mit unverhohlener Ironie auf das Ausgangsthema anspielt. Doch haben die drei auch Sinn für doppelbödige Momente. Man denke nur an den harmonisch unwegsamen Übergang zum zweiten Thema.
Weniger bekannt ist, dass Beethoven, um minderen Arrangements fremder Hand zuvorzukommen, sein beliebtes Septett in Es-Dur für Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass op. 20 aus dem Jahr 1800 zum Grand Trio op. 38 umschliff. Mozarts Divertimento für Streichtrio KV 563 nachempfunden, vermittelt es zwischen galant und gelehrt. Seine sechs Sätze zitieren die komplette Formenwelt der Wiener Klassik: ruhig eingeleiteter Sonatenhauptsatz, liedhafter langsamer Satz, Variationenkette, ältliches Menuett und neuzeitliches Scherzo. Nur das Sonatenrondo fehlt. Doch wirkt das Hauptthema des Finalsatzes, dem eine mollgetönte Introduktion alla marcia vorausgeht, durchaus rondoartig.
Dem dialogischen Farbenspiel der Bläser- und Streichergruppen entsagend, übernahm Beethoven die Klarinettenstimme fast unverändert ins Grand Trio, überantwortete dem Violoncello eine Melange aus Horn- und Fagottstimme und zog den Streichersatz im Klavier zusammen. Hier nun gelingt der virtuosen Troika ein kleines Wunder: so quellfrisch musiziert, verscheucht Beethovens Konzentrat alsbald die heimliche Sehnsucht nach dem siebenstimmigen Original.
Die spannendste Mitgift der Jubiläumsedition Composing Beethoven geht indes aufs Konto des Komponisten Johannes Schöllhorn (*1962). Von Kilian Herold ersucht, eine Beethoven-Adaption beizusteuern, griff der erfahrene „Bearbeiter“ zu dessen Bagatellen op. 119. Luft von anderem Planeten spürend, schuf er Beethovens Klavier-Miniaturen in elf leichtfüßig durchbrochene Trio-Skizzen um, jede ein Kabinettstückchen höchsteigenen Charakters: verspielt, kokett, pointiert, verhuscht, zwielichtig, versonnen, elegisch… Glücksfall eines umgeschaffenen Beethoven-Zyklus, dessen letzte Bagatelle Max Reger zu einem Variationenzyklus für zwei Klaviere anregte.
Lutz Lesle