Beethoven, Ludwig van

Complete Works for Piano Trio Vol. II

Piano Trio No. 2 & 5, Swiss Piano Trio: Angela Golubeva (Violine), Sébastien Singer (Violoncello), Martin Lucas Staub (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite 97.693
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 80

Zwischen den beiden Beethoven-Trios, zwischen No. 2 und No. 5, liegen knapp 15 Jahre. Dass sie hier kombiniert werden, gehört zum Konzept des Schweizer Klaviertrios um Pianist Martin L. Staub, das die jeweilige Entwicklung eines Komponisten untersucht, das aber auch den melodischen Reichtum gerade bei Ludwig van Beethoven innerhalb der Zeit zwischen 1795 und 1808 farbig ausstellt. Man könne, so der Interpret, von einem „musikalischen Kosmos“ sprechen, den Beethoven als kammermusikalischen Akzent so sensibel wie effektvoll entworfen und ausgefüllt habe. In der direkten Gegenüberstellung liege daher ein besonderer Reiz für die heutigen Interpreten.
Dem kann man nur zustimmen. Beim Hören wird man Zeuge einer echten Emanzipation des Klaviers beziehungsweise auch des Cellos. Denn während in op. 1,2 oft noch das Cello (nur) eine „Verdopplungsrolle“ (mit dem Klavier in der Bassführung) übernimmt, hat es sich in op. 70,1 längst frei gespielt. Für den Komponisten heißt das: Er belässt den drei Instrumenten die Eigenfarbe, die Eigenentwicklung, die Eigenrolle. Die Möglichkeiten, eine Melodie zu variieren oder eine Idee zu „erläutern“, werden in dem späteren Stück wesentlich größer, intensiver, faszinierender. Und der Klavierpart wird ebenfalls, weil auch dieses Instrument einen technischen und instrumentalen Entwicklungsschritt hinter sich hat, lebhafter, bewusster, intensiver.
Nr. 2 G-Dur ist viersätzig (vom Adagio im Kopfsatz über ein Scherzo bis zum Presto-Finale), greift auf Tradition und Konvention der Klassik-Epoche zurück. Bei Nr. 5 kommt der Bonner mit drei Sätzen zwischen „con brio“ und Presto aus, ohne dass die Komposition an Bedeutung verliert. Das Gegenteil ist der Fall: Das D-Dur-Trio weist nahezu alle kunstvollen Beethoven-Farben auf, es besitzt auch mehr zupackende Substanz in der Behandlung des thematischen Materials. Dieses Opus wartet mit allen lyrischen wie dramatischen Feinheiten auf, die man Beethoven seit über 200 Jahren zurechnet. Es ist dennoch unterhaltsam, aber schon mit einer gewissen hochkarätigen Strenge konzipiert – ein „starkes Stück“.
Angela Golubeva (Violine), Sébastien Singer (Cello) und Martin Lucas Staub an den Tasten werben mit beiden Stücken für Beethoven und seinen jederzeit erkennbaren Stil – bei Nr. 5 ist dies noch klarer und einheitlicher zu merken als bei Nr. 2. Aber auch dieses Trio gehen die jungen Schweizer Musiker an, als spielten sie um ihr Leben, als wollten sie bei Beethoven unbedingt in jedem Takt Neues entdecken.
Das Trio ist bestens aufeinander eingestimmt, es beherrscht den klassischen Geist auf dem Weg zur frühen Romantik. Die Tempi passen zum Klima – und umgekehrt auch. Golubeva, Singer und Staub, seit 1998 eine Einheit, sind in der Perfektion (auch bei internationalen Wettbewerben!) zielorientiert: Sie gehen im Kollektiv „einen“ Weg. Aber dieser offenbart Täler und Höhen, Risse und Kanten, Herz und Schmerz. Das ist bei dieser CD eben kraftvoller und ausdifferenzierter Beethoven!
Jörg Loskill