Beethoven, Ludwig van
Complete String Trios
Jacques Thibaud String Trio: Burkhard Maiß (Violine), Hannah Strijbos (Viola), Bogdan Jianu (Violoncello)
Rückblickend auf die klassische tradierte Kammermusik und deren Entwicklungsschritte fällt das Streichtrio noch heute aus dem Rahmen. Denn es hat nie die Vitalität der Klangerweiterung wie beim Quartett
erreichen können klar: Es fehlt schließlich ein viertes Instrument, das schon ein orchestrales Programm zumindest andeuten könnte. Die Romantik bevorzugte wiederum das solistische Virtuosentum. Doch im Trio muss das Individuum zurückstehen gegenüber dem einheitlichen Ganzen. Sind dadurch Form und Ausdruck gegenüber einem planmäßigen Vierer-Konzept gemäßigt, eingeschränkt oder gebremst?
Einer, der sich nicht um diese Probleme kümmerte (oder sich zu kümmern schien?), war Ludwig van Beethoven. Dessen Streichtrios sind fast schon Endpunkte der Entwicklung in dieser Besetzung: großartig durchpulste, harmonisch reiche und ebenso innige Poesieballaden. Das Jacques Thibaud String Trio unterstreicht diesen hohen Anspruch der Musikgeschichte und ihrer Rezeption in der Aufnahme von Beethovens Streichtrio op. 3 Es-Dur sowie der drei Stücke von op. 9 (G-Dur, D-Dur und c-Moll). Dazu gesellt sich die Serenade D-Dur op. 8, ebenfalls für das Trio geschrieben. Allesamt frühe Kompositionen, die vor 1800 entstanden sind, in denen Beethoven jedoch seine künstlerische, musikalische Qualität in jedem Satz bestätigt.
Man genießt diese Trio-Anlagen als reich entfaltete kammermusikalische Kostbarkeit: lebhaft, elegant, kontrastfarbig, aber eben auch unterhaltend und ohrwurmverdächtig beim melodischen Potenzial: Opus 3 ist sechssätzig, arios, con brio und in den Menuetten tänzerisch und dynamisch; die Serenade op. 8 auch in sechs Sätzen ausgebreitet, rhythmisch einfallsreich, sprechend, erzählend, zwischen Anmut und polacca pendelnd; die Streichtrios op. 9: drei jeweils viersätzige Trios als gesanglich-instrumentale Preziosen, changierend im Aufbau und so genial verarbeitet, wie man sich dieses Genre nur aus dem damaligen Blickwinkel heraus vorstellen kann.
Das Thibaud-Trio, das sich auf den französischen Geiger bezieht, hält sich an ein Zitat dieses Vorbild-Musikers: Für einen wahren Künstler gibt es nichts Reizvolleres als das Ensemblespiel mit Kollegen dagegen tritt das solistische Spiel in den Hintergrund. Maiß, Strijbois und Jianu atmen auf derselben Wellenlänge, verstehen sich blind, kosten das Beethoven-Abenteuer mit Tempo und Seele aus, hören bei Haydn nach und denken an Brahms voraus. Der noble Ton ist für das Dreier-Team Gesetz. Das kommt den scheinbar schwerelosen Beethoven-Werken in jedem Satz zugute.
Jörg Loskill