Franz Schubert

Complete Piano Trios

Robert Levin (Klavier), Noah Bendix-Balgley (Violine), Peter Wiley (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Le Palais des Dégustateurs PDD021, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 87

In jüngster Zeit gehen Ensembles immer mehr dazu über, in ihren Einspielungen den Finalsatz von Franz Schuberts Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur D929 in der ursprünglichen Fassung mit der Wiederholung und mit den vom Komponisten selbst gestrichenen Takten zu spielen. An den Verleger Heinrich Probst hatte Schubert eine Kopie des noch vollständigen Satzes geschickt, mit eingezeichneten Kürzungen, worauf er Probst explizit hinwies und um genaue Beachtung warb. Warum er manches gestrichen hat, ist letztendlich ebenso unbekannt wie die vage Erklärung umstritten ist, seine Freunde um Leopold von Sonnleithner hätten dahingehend auf Schubert eingewirkt. Trotz vergeblicher Versuche, den Finalsatz in seiner Originalgestalt zu publizieren, ist fast 150 Jahre lang nur die gekürzte Fassung der Erstausgabe von Oktober 1828 bekannt geworden. Erst nach 1975, als der entsprechende Band der Gesamtausgabe erschienen ist, konnten die Ensembles darauf zurückgreifen, was aber sehr lange nicht geschah. Nur vereinzelte Trios wie 2018 das Trio Rafale probierten die Fassung aus und nahmen sie in ihr Repertoire auf.
Die drei im englisch-französischen Booklet vorgestellten Künstler – der Musikwissenschaftler, Pianist und „Mozart-Spezialist“ Robert Levin, der noch junge Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Noah Bendix-Balgley, und der ehemalige Cellist des Beaux Arts Trio, Peter Wiley –, die sich während eines Kammermusikfestivals in Nevada kennengelernt haben, trafen sich bereits Mitte Dezember 2016 im Jakobinerkloster im französischen Beaune in der Côte d’Or, um sämtliche Werke für diese Besetzung einzuspielen: also die beiden Einzelsätze in B-Dur D28 aus dem Jahr 1812 und das berühmte Notturno in Es D897 sowie die beiden großen, jeweils viersätzigen Klaviertrios in B (D898) und Es (D929). Erst jetzt, über vier Jahre später, ist die Aufnahme zugänglich. Um den Unterschied der beiden Fassungen direkt vergleichen zu können, kann man zunächst die originale, dann unmittelbar die allseits bekannte Version hören. Allein ist die Letztere um sechs Minuten „himmlischer Länge“ kürzer.
Technisch einwandfrei, schlank im Ton mit viel Dynamik, auf hohem, professionell gestaltetem Niveau spielen sich die drei Musiker durch die Werke. Problemlos beginnend mit dem jugendlichen Triosatz des erst 15-Jährigen hört man sich in die Schubert’sche Klangwelt ein. Als vergleichendes Gegensatzpaar bietet sich das Notturno an, dessen Interpretation nur merkwürdig an der Oberfläche kratzt, die unteren Gefühlsebenen wenig auslotet und die beinahe unheimlich anmutende Klangschönheit wenig auskostet. Auch das auf derselben CD verewigte B-Dur-Trio kommt insgesamt aussageschlank und harmlos daher, atmet nur eine auf der Stelle tretende Zuständlichkeit ohne vorwärtsdrängenden Impetus, gerade in den schnellen Sätzen. Ferner fehlt die atemlose Weite sinnlicher Momente und die Leidenschaft intensiven Ausdrucks. D929 erscheint trotz gelungener Momente als eine Kopie von D898, in der Innerlichkeit, Tragik und Tiefe kaum aufleuchten.
Werner Bodendorff