Krenek, Ernst
Complete Piano Concertos, Volume One/Two
Mikhail Korzhev/Eric Huebner (Klavier), Nurit Pacht (Violine), Adrian Partington (Orgel), English Symphony Orchestra, Ltg. Kenneth Woods
91 Jahre alt ist Ernst Krenek geworden, fast 250 Werke hat er geschaffen, doch Gebrauchsmusik à la Hindemith war wenig dabei: Konzerte, für die man Solisten braucht, sind deshalb unpraktisch, weil sie nur dann in die Programme aufgenommen werden können, wenn sie von Interpreten mit großen Namen unterstützt werden, und solche Leute sind nicht daran interessiert, für Neue Musik ins Feld zu ziehen. Der Rang und der Ruf der Solisten, Dirigenten und Orchester aber, die seine Klavierkonzerte uraufgeführt haben, besagen eher das Gegenteil: Scherchen, Walter, Mitropoulos, das Concertgebouw-Orchester und die New Yorker Philharmoniker, Eduard Erdmann und Krenek selbst.
Und doch musste das 1. Klavierkonzert Fis-Dur fast 92 Jahre auf eine Einspielung warten sie fand erst in dieser Gesamtedition der sieben Klavierkonzerte Platz, die sogar vier Erstaufnahmen zu bieten hat. Nun sind es Mikhail Korzhev, Kenneth Woods und der Musikwissenschaftler Peter Tregear, deren Enthusiasmus und Engagement Kreneks Musik gilt und die gemeinsam mit dem fulminanten Orchester und den anderen Solisten diese sensationelle Kollektion kreieren mit dem Willen, die Konzerte ins Musikleben zurückzubringen, die sie in einer Reihe mit Bartók und Schönberg, mit Strawinsky und Schostakowitsch, mit Prokofjew und Poulenc sehen, von denen Krenek nicht unbeeinflusst war.
Denn Krenek, der Komponist zwischen den Stilen, der alle Gattungen bediente und sämtliche Techniken zwischen Gregorianik und Elektronik beherrschte, war überall dabei, doch nirgendwo daheim. Er blieb eher randständig trotz des Welterfolgs seiner Jazz-Oper Jonny spielt auf (1927), trotz seines Renommees im US-amerikanischen Exil oder seiner Dozententätigkeit bei den Darmstädter Ferienkursen.
Und so gehen auch die vier Solokonzerte und die drei Doppelkonzerte mit Orgel, Violine und Klavier eigene Wege und offenbaren vielerlei schöpferische Wechselbeziehungen. Die Individualität eines jeden Konzerts wird weniger durch Themencharaktere geprägt, sondern mehr durch Kompositionsmittel, Klangfarben und Satzfolge als Sinfonik, Virtuosenstück oder Divertimento. Lyrische Adagio- und quirlige polyfone Finalsätze bilden hingegen konstante Ausdrucksgrößen. Und insgesamt wölbt sich ein variantenreicher Bogen von der empfindsamen Reise in eine längst vergessene Heimat des Wiener Schreker-Schülers Krenek und von seinem kompromisslos-kunstvollen Umgang mit der Dodekafonie über die brillante Schaustellung einzelner Orchestergruppen und das glänzende Wettspiel zweier Klaviere bis hin zur Rückkehr des alten Wiener Tons: Reminiszenzen an Tanz- und Salonmusik, nostalgische Anspielungen auf Schubert, Mahler und Berg. Angesichts dieser faszinierenden kompositorischen Gestaltungskraft und Ausdrucksvielfalt und einer in jeder Hinsicht imponierenden musikalischen Darbietung sollte Kreneks Werken jene Resonanz und Renaissance im Konzertgebrauch nicht versagt bleiben, die ihr CD-Auftritt verspricht!
Eberhard Kneipel