Paul Hindemith
Complete Music for Cello and Piano
Umberto Aleandri (Violoncello), Filippo Farinelli (Klavier)
Dass der Komponist Hindemith als jahrzehntelang erfolgreicher Bratschist das bis dahin schmale Repertoire für sein Instrument um eine ganze Anzahl von bahnbrechenden Werken bereichert hat, ist hinlänglich bekannt – dass er eine vergleichbare Zahl von bemerkenswerten Kompositionen auch dem Schwesterinstrument Violoncello widmete, hingegen weniger. Das ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, dass eine Gesamteinspielung aller Werke für Cello und Klavier bislang nicht vorlag – umso verdienstvoller also die vorliegende Produktion. Hindemiths Werke für Cello und Klavier sind in einem Zeitraum von über 30 Jahren entstanden und setzen Marksteine in seinem Werdegang als Komponist. Sein erstes von einem Verlag publiziertes Werk waren die Drei Stücke für Cello und Klavier op. 8 (1917), die beiden Fassungen der Sonate für Cello und Klavier op. 11 Nr. 3 (1919/1921) markieren den Aufbruch zu einer Musiksprache, die sich vom „Konservatoriumskram“ lossagt. Spätestens seit den 1930er-Jahren lagen Hindemith Werke für Laien besonders am Herzen, und so schrieb er für seine Cello spielende Ehefrau die Drei leichten Stücke (1938) und die Kleine Sonate (1942). Und den großen Cellisten Piatigorski beglückte er nicht nur mit dem Variationenwerk A Frog Went A-Courting (1941), sondern auch mit der Sonata for Cello and Piano (1948).
Umberto Aleandri und Filippo Farinelli haben sich dazu entschlossen, ihre Zuhörerschaft mit auf eine akustische Reise in die Vergangenheit zu nehmen: Ihre Einspielungen beginnen mit dem zuletzt entstandenen Werk und enden mit dem ältesten Stück. Am überzeugendsten sind ihnen die frühen Stücke gelungen, in denen sie fein zwischen spätromantischer Attitüde, der hermetischen Ruhe in langsamen Sätzen, Witz und ungestümer Energie nuancieren. Aleandri zeigt spritzige Verve, Farinelli brilliert mit glitzernden Passagen. Demgegenüber wirkt insbesondere die späte Sonata for Cello and Piano ein klein wenig zu gediegen. Eine Überraschung in diesem Doppelalbum ist die Gegenüberstellung der beiden Fassungen der Cellosonate op. 11 Nr. 3: Sie macht die rasante stilistische Neuorientierung des 25-jährigen Komponisten hörbar. Die Information, dass große Teile der Klavierstimme der Erstfassung verloren sind und ihre Rekonstruktion 2013 von dem Komponisten und Pianisten Fazıl Say unternommen wurde, erhält man erst bei der Lektüre des inhaltsreichen und lesenswerten Booklettexts – ein entsprechender Hinweis dazu auf dem Backcover und in der Trackliste wäre hier angemessen gewesen.
Susanne Schaal-Gotthardt