Carl Maria von Weber

Complete Chamber Music for Clarinet

Davide Bandieri (Klarinette), ­Matteo Fossi (Klavier), Quartetto Savinio

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 11/2022 , Seite 72

Neben den beiden Klarinettenkonzerten und dem Concertino hat Carl Maria von Weber, der mit dem Virtuosen Heinrich Baermann befreundet war, auch drei markante, weniger populäre Kammermusikwerke für sein Lieblingsinstrument geschrieben. Diese unterschiedlich besetzten Werke hat der Italiener Davide Bandieri nun bei Brilliant Classics aufgenommen.
Das 1815 vollendete Quintett für Klarinette und Streichquartett op. 34 steht im Konzertleben hinter den Quintetten von W. A. Mozart und Johannes Brahms zurück, wohl wegen der weniger anspruchsvollen Aufgabe für das Streichquartett, das Weber nicht kammermusikalisch mit dem Klarinettenpart verschmilzt. Im Vordergrund steht die sich in ihrer ganzen Pracht und Vielseitigkeit zeigende Klarinette, die von Davide Bandieri auch entsprechend entfaltet wird. Sein warmer, runder, vibratoloser Ton und seine mühelose Technik sind die Basis für seine ausdrucksvolle Wiedergabe des Werks. Bandieri fällt zwar der Solopart zu, aber er versteht sich dennoch als Kammermusiker und kehrt nicht die virtuosen Aspekte durch forcierende Tempi hervor. Tief empfunden und mit superbem Pianissimo taucht er in die romantische mit Fantasia überschriebene Welt des zweiten Satzes ein. Das Quartetto Savinio nimmt sich der Begleitaufgabe mit vollem Einsatz an und trägt mit klanglicher Homogenität entscheidend zu einer insgesamt sehr stimmigen und spannungsvollen Einspielung bei, die auch aufnahmetechnisch einen kammermusikalischen Raum erzeugt.
Die Schaffenszeit für das Quintett zog sich über vier Jahre hin. Die Variationen über ein Thema aus der Oper Silvana op. 33 sind laut Tagebuch Webers an einem einzigen Tag entstanden und an diesem auch uraufgeführt worden. Das Thema ist ein Ausschnitt aus der gleichnamigen Oper von 1810, das Weber auch in einem Variationssatz in der Sonate Nr. 5 für Violine und Klavier op. 10 verwendet hat. Daraus hat er Teile in op. 33 adaptiert, sodass der Kompositionsprozess weniger umfangreich war. In den Variationen hebt sich Weber durch den Ideenreichtum und die Gestaltung mit klarinettenspezifischen Spielweisen – mögen sie auch von Heinrich Baermann initiiert worden sein – sehr von seiner Zeit ab. Zwei Variationen bleiben dem Klavier allein vorbehalten. Einen ebenso individuellen Ansatz zeigt das Gran Duo concertant Es-Dur op. 48, das den Gedanken des partnerschaftlichen Musizierens in den Vordergrund stellt und die Interpret:innen im Zusammenspiel herausfordert, wenn im Schlusssatz zahlreiche Sechzehntel-Passagen parallel geführt werden oder im Kopfsatz die Imitationen dynamisch ausbalanciert werden müssen. Hier bewährt sich in jeder Phase das Duospiel mit dem kammermusikalisch erfahrenen Pianisten Matteo Fossi. Mit der insgesamt klugen Tempowahl und der Ausdrucksintensität werden die Interpretationen der Musik Webers in allen Belangen gerecht – doch ein Blick in die seit 2005 vorliegenden Urtexte hätte wohl einige Details geändert.
Heribert Haase