Endlich wieder in Präsenz: Classical:NEXT 2022/© Eric van Nieuwland

Gerald Mertens

Classical:NEXT zwischen Pandemie und Neustart

Die internationale Klassikmesse feierte in Hannover ihr Zehnjähriges

Rubrik: Thema
erschienen in: das Orchester 9/2022 , Seite 22

Seit zehn Jahren (mit Corona-Unterbrechungen) ist die Classical:NEXT nach Stationen in München und Rotterdam im Jahr 2022 für vier Tage in Hannover angekommen. Der Geburtstag wurde gebührend in der Niedersächsischen Staatsoper gefeiert. Allgemeines Aufatmen: endlich wieder live und persönlich! Mehr als 900 Teilnehmende aus 50 Ländern waren in der Landeshauptstadt dabei. Darunter Aussteller, Labels, Verlage, Verbände, Künstlerinnen und Künstler, Künstleragent:innen, Fachreferent:innen und Journalist:innen.

Die international besetzten Paneldiskussionen und Projektpräsentationen waren thematisch auf die aktuelle Lage abgestimmt: „Wie geht es weiter nach der Pandemie?“ In mehreren „Global Orchestra Meetings“ klang durch, dass vor allem die Mitarbeitenden des Orchestermanagements nach zwei Jahren Pandemie erschöpft sind. In Großbritannien sind erst wieder 70 Prozent des Publikums zurück im Konzertsaal, außerdem führt die massiv steigende Inflation zu einem höheren Personalkostendruck bei gleichzeitig gesunkenen Karteneinnahmen. John Kieser von der New World Symphony Miami berichtete aus einer aktuellen Untersuchung seines Orchesters. Die schlechte Nachricht: 15 bis 20 Prozent des älteren Publikums werden nach Corona dauerhaft nicht zurückkommen. Die gute Nachricht: Bei älteren Musikliebhabern gehen die Online-Nutzungszahlen nach oben.
Beraterin Aubrey Bergauer (vormals San Francisco Symphony) favorisierte für die Weiterentwicklung von Orchestern mehr Agilität (Zitat: „People don’t believe in brands, they believe in individuals“). Projekte und Formate, die schlecht funktionieren oder weniger nachgefragt werden, sollten eingestellt werden. Das schaffe Raum für neue Ideen und Formate. Auch sollte die Eigenverantwortung der Beschäftigten in Management und Orchester erhöht werden, um einen Wechsel im Mindset und beim Eigenengagement aller Beschäftigten und in der Außenwirkung von Orchestern herbeizuführen. Allerdings wurde auch auf das wachsende Problem hingewiesen, qualifiziertes Managementpersonal und selbst studentische Hilfskräfte für neue Herausforderungen zu gewinnen. Da scheint es dem Musikbetrieb nicht anders zu gehen als anderen Wirtschaftszweigen, die händeringend nach neuen Arbeitskräften suchen.

Potenziale durch Diversität

In einer weiteren Diskussion wurde deutlich, dass die Bildung eines inklusiven Orchesterpublikums wegen der demografischen Veränderungen nötig ist, da vor allem ältere Besuchersegmente wegbrechen. Ein Problem, das offenbar fast alle Orchester weltweit betrifft. Sogar die Berliner Philharmoniker bewerben nach vielen Jahren wieder ihre Konzert-Abos. Interessant war auch, dass konservative Programme (Mozart, Beethoven, Brahms) gegenwärtig schlechter besucht sind als ungewöhnliche Programme, die oftmals nahezu ausverkauft sind…

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