Werke von Claude Debussy, Jean Cras, André Jolivet und anderen

Classica Francese

Rubrik: CDs
Verlag/Label: MDG 910 1825-6
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 79

„Oh, les Allemands! Les grands musiciens…“ So rufen oft die Laien unter unseren westlichen Nachbarn. Aber auch die Musiker und sogar die Komponisten von Chausson bis Boulez schielen seit eh und je nach Deutschland, selbst wenn sie – wie Debussy – „Musik ohne Sauerkraut“ wollten. Warum eigentlich?! Die französische Musik hat doch soviel Eigenes. Und tatsächlich einen ganz unverwechselbaren Charme… Dies gilt auch für die vorliegende CD, auf welcher drei originale kammermusikalische Stücke, ein Arrangement von Debussys Orchesterwerk Prélude à l’après-midi d’un faune sowie neun populäre Chansons in neuen Bearbeitungen für das ausführende Ensemble aus bis zu sieben Mitgliedern kombiniert werden zu einem abwechslungsreichen und stimmungsvollen Ablauf.
Ein Trio aus Anette Maiburg an der Flöte – damit Hauptsolistin und auch Leiterin der Kammermusikgruppe –, daneben Wen Xiao Zheng und Emmanuel Ceysson, nimmt mit souveräner Konzentration und hoher Tonkultur schon bei Debussys Sonate aus dem Jahr 1916 gefangen, dem letzten Meisterwerk des bereits todkranken Impressionisten. Die Geigerin Karina Buschinger und der Cellist Guido Schiefen erweitern das Ensemble zum Quintett des in seinem kompositorischen Werk recht vielseitigen Jean Cras (1879-1932), der im Hauptberuf aber als Offizier zur See fuhr – stets mit einem Klavier an Bord. Wir können eine zwar kurze, doch trefflich poetische und gleichwohl kontrastreiche Komposition genießen. In gleicher Besetzung wagen die fünf Musiker den Sprung in die nächste Komponisten-Generation: Bei Chant de linos beweist André Jolivet (1905-1974), mit Olivier Messiaen in der ersten Reihe der Gruppe „Jeune France“ stehend, dass die französische Musik auch im Dunstkreis der Avantgarde ihre Sinnlichkeit und ihren Charme nicht eingebüßt hat. Debussys berühmtes Prélude, zwischen 1892 und 1894 entstanden, hat der Harfenist für das Ensemble bearbeitet. Auch noch in dieser intimeren Form kann das Meisterwerk des Impressionismus faszinieren. Ein verhältnismäßig zügiges Tempo ist wohl der kleineren und transparenteren Besetzung geschuldet, bestimmt aber auch die Interpretationen der anderen Werke, durchaus zugunsten der Lebendigkeit.
In sehr geeigneter Weise gelingt es auf dieser CD, das U und das E der Musik zu kombinieren. Der in solchen Dingen erfahrene Hannoveraner Andreas N. Tarkmann hat dafür die französischen Chansons – neun an der Zahl – von Edith Piaf, Yves Montand, Michel Legrand und anderen für das Ensemble unter Beteiligung von Mathias Haus an Schlaginstrumenten arrangiert. Bei Jacques Brels Dans le port d’Amsterdam etwa werden mit instrumentalen Mitteln und Techniken Naturgeräusche im Hafen simuliert. Und natürlich ist die gesangliche Wiedergabe mit entscheidend, für welche Alexandra Cravero mit ideal mezzo-timbrierter Stimme, klarer Diktion und ausdruckstarker Gestaltung sorgt. Weitere Höhepunkte sind das von Juliette Gréco bekannt gemachte Bonjour tristesse mit der Musik von Georges Auric sowie Brels Ne me quitte pas.
Günter Buhles