Edward Elgar, Vittorio Monti, Sergei Rachmaninow und anderen
Classic Selection No 1
Aghabekyan Quartet: Ani Aghabekyan (Violine), Daniel Bollinger (Klarinette), Victor Plumettaz (Violoncello), Pavel Klimashevsky (Bass)
Da geht einem Geiger doch das Herz auf! Welch herrlich geigerisches Programm! Und welch ungewöhnliche, spannende Arrangements! Schade, denkt man sogleich, dass die CD nur knapp 40 Minuten Spielzeit hat – ein paar weitere wunderbare Stückchen wären noch drin gewesen.
Ursprünglich für die Geige geschriebene Stücke für andere Instrumente zu adaptieren, birgt aber doch die eine oder andere Gefahr, wie man bei der vorliegenden Einspielung rasch realisieren muss. Eine fast ausschließlich (spät-)romantische Werkauswahl, die viel Raum ließe für Virtuosität, Glamour, Herzblut, jedoch auch für Eleganz, Geschmack, Esprit. Es geht ja nun bei Bearbeitungen bekanntlich auch nicht immer nur um die Wiedergabe im Geiste des Originals. Zumindest aber sollte doch etwas Neues und in sich Überzeugendes geschaffen werden.
Das nach seiner Violinistin benannte Aghabekyan Quartet tritt viel Melodisches von der Geige an die Klarinette ab, Bass und Cello spielen mitunter unerwartet eigenständige Begleitungen, Durchgänge oder auch das eine oder andere Thematische. Man muss sich beim Hören dieser CD wohl von der Vorlage lösen – dann gewinnt Vittorio Montis Czardas mit spielerischem Ernst, improvisatorischer Einleitung und mitreißend-fetzigem Mittelteil. Auch der Elgar’sche Liebesgruß ist ganz nett, lyrisch, zärtlich schmachtend, sogar in der gezupften Wiederholung des Themas.
Zur Vergessen- und Versessenheit in Oblivion von Astor Piazzolla passt die suchende, dezent geheimnisvolle Spielweise aller vier Instrumentalisten. Durchaus liebenswert wird das Leiden an der Liebe von Fritz Kreisler hier fast ein wenig spitzbübisch aufgebrochen.
Der Tango Por una cabeza des bei einem Flugzeugabsturz jung gestorbenen Carlos Gardel beginnt durchaus schön und in glaubwürdiger südamerikanischer Tanz-Manier.
In Jules Massenets Méditation erlaubt sich das Ensemble eine gut gespielte, aber stilistisch unpassende Parallelveranstaltung der Klarinette neben der Geige. Der fünfte Ungarische Tanz hat so gar nichts mehr von seinem Urheber Brahms, nichts (Pseudo-)Ungarisches und birgt außer dem Intro nichts wirklich Ansprechendes. Ein experimenteller Ausflug in die Neue Musik kommt über die ersten Schritte nicht hinaus. Das Prélude aus Bachs so wunderbarer, tiefgründiger (im Original für Geige solo geschriebener) Partita in E-Dur verkommt streckenweise zu einem gehudelten, schwerfälligen Slapstick.
Das in sich stimmigste Arrangement ist vielleicht Rachmaninows Vocalise. Mit einem wahrhaft stürmischen, streckenweise aber eben doch stümperhaften Sommer aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, der etwas unbeholfen dem Herbst entgegenstolpert und dem man die eine oder andere intonatorische Ungenauigkeit verzeihen muss, entlässt man uns ins Nachdenken über Original und Fälschung.
Carola Keßler