Sergei Prokofiev / Mieczyslaw Weinberg

Clarinet Sonatas / Overture on Hebrew Themes

Annelien Van Wauwe (Klarinette), Lucas Blondeel (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin Gen 15372
erschienen in: das Orchester 11/2015 , Seite 83

Annelien Van Wauwe lässt die Klarinette singen. Spieltechnisch erstklassig fließt jeder Ton perfekt aus dem Instrument – das macht Spaß. Zudem hat sie sich für die neue CD Musik ausgesucht, die ihr hörbar liegt, die sie anscheinend atmet und lebt.
Prokofjews Sonate Nr. 2 D-Dur in der Transkription für Klarinette macht den Anfang. Ursprünglich war das Werk für die Flöte komponiert, aber David Oistrach bat bald um eine Version für die Violine. Van Wauwe hat hier die Klarinettenversion vorgelegt. Man meint, dass Prokofjew an kein anderes Instrument bei der Komposition gedacht haben mag, so stimmig klingt es. Selbstverständlich hat der grandiose Pianist Lucas Blondeel, ein gleichberechtigter und selbstbewusster musikalischer Partner, seinen Anteil daran, dass diese Sonate so herausragend gelingt. Fröhlich, fast tänzerisch kommt der erste Satz daher. Herrlich leichte, aber klangvolle Klarinettentöne lassen kaum erahnen, dass dieses Werk im Krieg komponiert wurde. Flott geht es im zweiten Satz weiter, fast wollen die Fußspitzen mitwippen. Ein paar Läufe fließen leicht aus dem Instrument und kommen in sauberer Ablösung mit dem Klavier auf den Punkt genau. Besinnlich, aber nicht sentimental legt das junge Duo den dritten Satz an und jede Kantilene wird herrlich ausgespielt, ohne zu verschleppen. Ein munterer Reigen (Allegro con brio) beendet die Sonate – schön!
Leise und volltönend, wie nur die Klarinette es kann, schleichen sich die ersten Töne in Mieczyslaw Weinbergs Sonate op. 28 in das Ohr. Das Klavier folgt mit deutlich abgesetzten Tönen und schafft einen bunten Kontrast. Ein bisschen Klezmer scheint immer durch die Noten zu lugen, lässt sich aber mehr erahnen als tatsächlich hören. Geschickt gesetzte Modulationen machen einen Teil des Reizes dieses tänzerischen Satzes aus. Sanft perlt der zweite Satz hervor und man freut sich schon auf den dritten – was mag jetzt noch kommen? Weinberg hat hier mit wohldosierter Dramatik und ein paar Kadenzen gezaubert und Van Wauwe weiß dies ins rechte Licht zu rücken und manchmal mit einem perfekt betonten Vorschlag die Klezmer-Ahnung  zu vertiefen.
Klezmer-Melodien in der Version für Klarinette, zwei Violinen, Viola, Violoncello und Klavier, komponiert von Prokofjew, beschließen diese CD. Damals für die Zuhörer eine exotische Musikwelt, wurde das folkloristische Stück sofort zu einem Erfolg. Heute klingen die alten Melodien, die der Komponist hier verwendete, nicht mehr ungewohnt, schmeicheln aber gehörig dem Ohr und werden hier zudem vom Ensemble mit der immer etwas führenden Klarinette makellos ausgeführt. In Zeiten, in denen es wieder notwendig ist, über Antisemitismus und Rassismus zu reden, gehört das hübsche kleine Ding sicher häufiger ins Programm.
Annelien Van Wauwe hat hier eine erstklassig eingespielte, zugleich sehr unterhaltsame CD vorgelegt.
Heike Eickhoff