Werke von Max Reger und Johanna Senfter

Clarinet Quintets

Kilian Herold & Armida Quartett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 75

Der 150. Geburtstag Max Regers ist für viele Klarinettist:innen ein willkommener Anlass, dem Klarinettenquintett A-Dur op. 146 eine größere Aufmerksamkeit zu verleihen. Das Spätwerk Regers hat es im Konzertleben neben den dominierenden Klarinettenquintetten von Mozart und Brahms auf Grund seiner kompositorischen Vielschichtigkeit, des Stimmengeflechts und der chromatischen Durchdringung des Tonsatzes schwerer, den Hörer unmittelbar zu erreichen. Doch sich der Schönheit des Werks zu öffnen, gelingt umso leichter, wenn sich wie bei der neuen Einspielung mit dem Klarinettisten Kilian Herold und dem Armida Quartett – mit Martin Funda und Johanna Stemmler (Violine), Teresa Schwamm (Viola) und Peter Philipp Staemmler (Violoncello) – die Interpret:innen als exzellente Kammermusikpartner:innen erweisen. Die Streicher spielen mit schlanker, warmer Tongebung und der Ton der Klarinette verschmilzt mit dem homogenen Quartettklang zu einer Einheit. Regers expressive Tonsprache wird in allen Nuancen durch ein Höchstmaß an dynamischer Flexibilität und durch die gesangliche Melodieführung seelenvoll zum Klingen gebracht. Spannungsvoll werden die vielfältigen Überleitungen ausmusiziert und von Kilian Herold mit einem Höchstmaß an Tonkultur bis ins Pianissimo gestaltet. Sein Spiel bleibt in jeder Phase werkdienlich, so auch in den virtuos anmutenden Variationen im Schlusssatz. Hervorzuheben ist auch die selten so zu hörende Hintergründigkeit im zweiten scherzoartigen Satz.
Dem Werk Regers ganz nahe steht das Klarinettenquintett von Johanna Senfter (1879–1961), war sie doch seine – von ihm sehr geschätzte – Schülerin, die den Weg aus einer wohlhabenden Familie aus dem kleinen Oppenheim in Rheinhessen nach Leipzig gemacht hat, um bei ihm Komposition zu studieren. Der Lebensweg dieser erst in den letzten Jahren wieder entdeckten Komponistin und „Kulturmanagerin“ von Oppenheim wird anschaulich im Booklet beschrieben. Das 1950 entstandene dreisätzige Quintett ist im Vergleich zu Reger formal übersichtlicher und leichter zugänglich, steht aber in der Expressivität Reger kaum nach. Senfters Tonsatz ist offener, die Motivik klar ausgeprägt. Eigenständig ist ihre Tonsprache besonders in den Ecksätzen, während der langsame Mittelsatz geradezu als Hommage an Reger aufgefasst werden kann. Die Komposition zeigt eine ernsthafte, ganz auf den Ausdruck konzentrierte Musikerin, die sich auch nicht zu vordergründiger Virtuosität verleiten lässt.
Das Armida Quartett und Kilian Herold verleihen der Musik die ihr innewohnende Intensität und erschließen dem Hörer mit ihrem sehr dynamischen und ausbalancierten Spiel die schnell wechselnden Ausdrucksebenen. Die Qualität der Aufnahmetechnik, die einen kammermusikalischen Raum imaginiert und keinen überakustischen Konzertsaal, hat einen großen Anteil am hohen Niveau der CD, die Lust auf weitere Einspielungen in dieser Formation macht.
Heribert Haase