Max Reger
Clarinet Quintet op. 146/String Sextet op. 118
Thorsten Johanns (Klarinette), Diogenes Quartett, Roland Glassl (Viola), Wen-Sinn Yang (Violoncello)
Zwei unterschiedliche Kammermusikwerke aus dem oft nicht unmittelbar zugänglichen Schaffen Max Regers hat das Diogenes Quartett aus München mit Stefan Kirpal und Gundula Kirpal (Violine), Alba González i Becerra (Viola) und Stephen Ristau (Violoncello) für diese CD ausgewählt und sich dabei mit Roland Glassl (Viola) und Wen-Sinn Yang (Violoncello) zum Sextett erweitert bzw. mit Thorsten Johanns die Klarinette als Klangfarbe hinzugewonnen.
Auch wenn die Einspielung das Klarinettenquintett an den Anfang stellt, wäre es zu empfehlen, zunächst das früher geschriebene Streichsextett op. 118 in F-Dur von 1910 zu hören um die Entwicklung zu Regers letztem vollendetem Werk hin, dessen Uraufführung er selbst nicht mehr erleben konnte, nachvollziehen zu können.
Den Kopfsatz des Streichsextetts durchziehen schnelle Stimmungswechsel und eine große Leidenschaftlichkeit. Auch im zweiten Satz Vivace drängen die Emotionen nach außen. während das ausgedehnte Largo con gran espressione ein Satz von großer Intimität ist, den ein zeitgenössischer Kritiker als „die Krone des Werkes“ ansah. Mit einem sehr spannungsvoll gestalteten Allegro comodo geht das Sextett zu Ende, das von dem verstärkten Diogenes Quartett mit schlanker, äußerst homogener Tongebung und mit sehr organischen Entwicklungen interpretiert wird, die den Eindruck eines natürlichen Spiels entstehen lassen.
Diese Qualitäten setzen sich bei dem im Todesjahr Max Regers 1916 abgeschlossenen Klarinettenquintett A-Dur op. 146 fort. das mit seinem Geflecht aus fünf gleichwertigen Stimmen ein nach innen gerichtetes Werk ist, das die große Geste weitgehend vermeidet. Der Klarinettenpart, der nur wenige klarinettentypische Spielfiguren erkennen lässt, wird von Reger nicht als Solopart behandelt, sondern ganz eng mit den Streicherstimmen verwoben. Dabei nutzt der Komponist die extreme dynamische Anpassungsfähigkeit der Klarinette in ihrer ganzen Bandbreite – bevorzugt aber in den unteren Stufen der Dynamik –, die zu feinsten Ausdrucksnuancen führt und die Verschmelzung mit dem Streicherklang ermöglicht.
Thorsten Johanns ist für das Diogenes Quartett der ideale, äußerst anpassungsfähige Partner, dessen geschmeidiger Ton sich mühelos in das mit feinem Vibrato spielende Streichquartett integriert. Den Interpreten gelingt eine in allen Details des kammermusikalischen Musizierens stimmige und im Ausdruck differenzierte Wiedergabe, die trotz der längsten Spielzeit im Vergleich zu anderen Aufnahmen dank einer klugen Phrasierungskunst nie an Spannung verliert. Die Partnerschaft des Klarinettisten mit dem Diogenes Quartett ist ein Glücksfall und findet ihren Höhepunkt im ergreifenden Largo. Der abschließende Variationssatz ist eine Verbeugung Regers vor seinem Vorbild Johannes Brahms und lässt auch die instrumentaltechnischen Qualitäten dieser besonderen Aufnahme hervortreten.
Heribert Haase