Jean Françaix/Carl Nielsen

Clarinet Concertos

Paolo Beltramini (Klarinette), Orchestra della Svizzera italiana, Ltg. Alain Lombard

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 02/2020 , Seite 68

Der Franzose Jean Françaix (1912-1997) war bekanntermaßen kein „Neutöner“. Er orientierte sich formal in seinen Kompositionen an der Klassik, prägte aber einen unverwechselbaren Personalstil aus, in dem einige spezifische Attribute der französischen Musik wie Charme und Esprit zum Tragen kommen. Er war ein Komponist,der mit meisterhafter Kunstfertigkeit und einem Höchstmaß an instrumentaler Virtuosität eine Musik nahezu ohne Bodenschwere schaffen konnte.
Sein 1968 komponiertes, nur selten eingespieltes viersätziges Klarinettenkonzert ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel; eindrucksvoll auch, weil der italienische Klarinettist Paolo Beltramini über die besten Voraussetzungen verfügt, um die verschiedenen Anforderungen Françaix’ zu erfüllen. Beltraminis exzellente Spieltechnik lässt nichts von den Schwierigkeiten des Soloparts erkennen und ermöglicht es ihm, den Gehalt der Musik in allen Feinheiten zu realisieren. Dabei agiert er nicht als auftrumpfender Virtuose, sondern fügt sich nahtlos in den Orchesterklang ein, wenn z. B. im dritten Satz die Solobläser des Orchesters wie Oboe oder besonders die Flöte zu Duo-Partnern werden.
Dieser kammermusikalische Ansatz durchzieht die gesamte Interpretation, die vom in Lugano beheimateten Orchestra della Svizzera italiana unter der Leitung seines Ehrendirigenten Alain Lombard mit durchsichtigem Spiel adäquat umgesetzt wird. Eine ideale Partnerschaft zwischen Orchester und dem aus seinen Reihen stammenden Solisten Paolo Beltramini.
Während das Konzert von Françaix im Jahr 2013 an einem einzigen Tag (!) aufgenommen wurde, stammt die Einspielung des Konzerts des bedeutenden dänischen Komponisten Carl Nielsen (1865-1931) aus dem Jahr 2006. Auch Nielsen stellt an den Solisten allerhöchste Ansprüche in seinem Konzert von 1928, das für Aage Oxenvad, den führenden dänischen Klarinettisten seiner Zeit, entstanden ist. Nielsen und Oxenvad haben sich während der Entstehung des Konzerts intensiv ausgetauscht und Nielsen hat nicht nur die Klarinettenkünste, sondern auch Charakteristisches des Solisten in die Komposition einfließen lassen.
Das durchkomponierte, auf einem Themenkern basierende Konzert ist formal freier als Françaix’ Werk, weitet die Tonalität aus und lässt in seiner gesamten Gestaltung das Bestreben erkennen, Konventionelles zu vermeiden. Paolo Beltramini taucht mit einer intensiven, warm timbrierten Tongebung in das vielfältig differenzierte Ausdrucksspektrum und die Tiefendimensionen der Musik ein. Die Virtuosität tritt dabei mit Ausnahme der brillant gespielten Kadenzabschnitte quasi zurück. Der Orchesterpart mit markanter Snare Drum besticht durch spannungsvolles Musizieren und detailgenaue, transparente Gestaltung, sodass eine in sich schlüssige und packende Interpretation entsteht.
Heribert Haase

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