Rachmaninow, Sergei

Chrysostomos-Liturgie

Rundfunkchor Berlin, Ltg. Nicolas Fink

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Carus 83.407
erschienen in: das Orchester 01/2016 , Seite 77

Ver­gleich­bar mit Franz Liszts Kir­chen­mu­sik steht auch Rach­ma­ni­nows Bei­trag zur li­tur­gi­schen Mu­sik ganz im Schat­ten sei­ner Kla­vier­kom­po­si­ti­o­nen. Mit sei­ner Chrysosto­mos-Li­tur­gie für Chor a cappel­la, als op. 31 ge­druckt, die of­fen­bar auf­grund meh­re­rer Miss­verständ­nis­se nicht zum got­tes­dienst­li­chen Ge­brauch im or­tho­do­xen Got­tes­dienst zu­ge­las­sen wur­de, ge­lang Rach­ma­ni­now ein Jahr nach sei­nem 3. Kla­vier­kon­zert im Jahr 1910 ein Schwes­ter­werk zu sei­ner be­kann­te­ren, nur fünf Jah­re spä­ter kom­po­nier­ten Ganz­nächt­li­chen Vi­gil bzw. Das gro­ße Abend- und Mor­gen­lob op. 37. Doch an­ders als in der Vi­gil be­zieht sich der 36-jäh­ri­ge Kom­po­nist in sei­ner Li­tur­gie­ver­to­nung auf kei­ne tra­di­ti­o­nel­len, russischen Me­lo­di­en. Sein an den Ro­man­ti­kern ge­schul­ter Per­so­nal­stil tritt hier deut­licher zu Tage. Rachmaninow konnte aber auch aus der lebendigen westeuropäischen Chortradition schöpfen, die ihm nicht nur von seinen Deutschland-Aufenthalten vertraut war.
Dem Ca­rus-Ver­lag ist in Zu­sam­menarbeitg mit Deutsch­land­ra­dio Kul­tur eine vor­bild­li­che Auf­nah­me die­ser or­tho­do­xen Mes­se ge­lun­gen. Mit CD und No­ten­aus­ga­be hat Ca­rus das Werk nun auch ei­nem grö­ße­ren Pub­li­kum mus­ter­gül­tig er­schlos­sen. Dem slawischen Originaltext ist in der Notenausgabe eine singbare deutsche Übersetzung beigegeben. Der sehr be­weg­li­che Rund­funk­chor Ber­lin folgt mit wa­cher, ge­schmei­di­ger Prä­senz dem Di­ri­gat Ni­co­las Finks. Fink ist durch sei­ne Er­fah­run­gen mit der Ganz­nächt­li­chen Vi­gil der ide­a­le Part­ner des Ber­li­ner Chor-En­semb­les.
Fink kürzt das Werk um nicht zwingend scheinende Wiederholungen und verzichtet auf eine Passage, in der die Streitkräfte gesegnet werden. Die so­lis­ti­schen Pas­sa­gen sin­gen der ganz wundersamtene tiefe Bass Axel Scheidig mit den Passagen des Solo-Diakons, der völlig schlackenlose Joo-hoon Shin, beide mit würdigem orthodoxen Pathos; durch das Sopransolo im „Dich preisen wir“ wird durch Bi­an­ca Reims meditatives Piano ein beeindruckender Ruhepol in der Mitte der Werks geschaffen. Das immer ausdrucksstarke und immer gestaltete Piano des Chors dient auch oft als Ausgangspunkt der einzelnen Sätze. Nicolas Fink lässt seinen Chor die ganze Bandbreite der romantischen Chordynamik durchschreiten. Auf kleinsten Flächen wachsen Crescendi aus dem Nichts. Mit schwebender Leichtigkeit werden komplexe Doppelchorpassagen vorgetragen. Einen kleinen Höhepunkt an Plakativität erlaubt sich der Chor mit dem auskomponierten Schwingen der Kirchenglocken im „Preist den Herrn aus den Himmeln“. Selbst leicht manierierte Passagen der Partitur wirken immer durchgeistigt, selbst kraftvoll zu skandierende Anrufungen etwa im Schlusschor nie brutal, unerwartete Harmoniewechsel werden zu Ereignissen. Dies ist umso notwendiger, da keine komplizierten Rhythmen den meist homofonen Akkordfluss unterbrechen. Eine schnörkellose, aber doch geschmackvolle, leicht hallige Akustik ist genau auf diese auf eine Mischung aus Ruhe und innerer Spannung ausgerichtete Interpretation zugeschnitten. Dem Werk oder selbst einzelnen Sätzen daraus ist es zu wünschen und zuzutrauen, dass es durch diese CD und die Notenausgabe bei Carus in das aktive Chorrepertoire deutscher Laienchöre übernommen wird.
Ka­tha­ri­na Hof­mann

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