Graham Waterhouse

Chinese Whispers

für Streichquartett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Robert Lienau, Mainz 2018
erschienen in: das Orchester 10/2018 , Seite 68

Der Komponist Graham Waterhouse hat ein besonderes Faible für die Arbeit mit Streichern. Dies geht nicht nur aus vielen Werken hervor, in denen er Streichinstrumente mit unterschiedlichen kammermusikalischen oder solistischen Aufgaben bedacht hat, sondern man merkt es auch der vorliegenden Partitur an, die von großer Sensibilität im Umgang mit der traditionsreichen Besetzung Streichquartett zeugt.
Geschrieben wurde das Stück für eine in Shanghai lebende europäische Familie, deren Töchter gemeinsam mit chinesischen Kollegen musizieren wollten. Der Titel ergibt sich zum einen aus dem musikalischen Bezug zum Kinderspiel „Chinese Whispers“ (im Deutschen bekannt als „Stille Post“), bei dem eine Phrase flüsternd von einer Person zur nächsten weitergegeben und dabei immer stärker verändert wird. Diese Idee nutzt Waterhouse an einigen Stellen als kompositorisches Prinzip, indem er sie auf die Musik überträgt und – eine Art Variationsprinzip – seine Phrasen unmerklich verändert, wenn er sie von einer Stimme zur nächsten wechseln lässt.
Zum anderen birgt der Titel aber auch einen Hinweis auf das spezifische folkloristische Kolorit der Komposition, das sich aus dem Bezug auf die Pentatonik als der chinesischen Musik eigene Grundlage ergibt. Nicht nur solche pentatonische Skalen benutzt Waterhouse, wie er im Vorwort bemerkt, als Materialgrundlage „aus der Perspektive eines klassisch ausgebildeten Europäers“, sondern auch klangliche Momente aus der chinesischen Kultur finden ihren Weg in das dreisätziges Werk. So beginnt der Kopfsatz unter Einbeziehung von perkussiven Pizzicati und Obertonglissandi mit der atmosphärischen Imitation einer „großen imaginären Tempelglocke“, deren harmonische Bewegung von arpeggierten Pizzicato-Akkorden im Violoncello gestützt wird.
Das thematische Material des nachfolgenden Moderato-Teils wiederum basiert auf Tonfolgen, die der Komponist einem Spieler des zweisaitigen chinesischen Streichinstruments Jinghu abgelauscht hat, um sie im Verlauf des Satzes zu erweitern, zu entwickeln und durchzuführen.
Der scherzoartige Mittelsatz lebt von den kontrastierend zueinander eingesetzten duolischen und triolischen Rhythmen und bedient sich dabei – von einem kurzen Abschnitt in der Satzmitte abgesehen – fast ausschließlich der klanglichen Möglichkeiten gezupfter Saiten. Ein rondoartiges Finale, basierend auf einem ständig sich wandelnden Hauptthema, beschließt das Werk unter Verwendung abrupter Tempowechsel, überraschender harmonischer Stillstände und rhythmischer Akzentuierungen, wobei Waterhouse auch immer wieder seine humoristische Ader zum Zug kommen lässt.
Chinese Whispers erweist sich damit insgesamt als lohnenswertes, von einem guten Amateurquartett durchaus zu bewältigendes Stück voller effektvoller Momente. Die Einzelstimmen sind großzügig mit Rücksicht auf das Umblättern gesetzt und werden zudem durch eine ebenso übersichtliche Studienpartitur ergänzt.
Stefan Drees