Bach, Mozart, Mendelssohn, Glass

Chiaroscuro

Schumann Quartett

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 10/2019 , Seite 69

Das junge Schumann Quartett macht nicht zum ersten Mal mit interessanten Programmkons-tellationen auf sich aufmerksam. Im CD-Erstling Landscapes begegneten sich Haydn, Takemitsu, Bartók und Pärt, im Nachfolger Intermezzo stifteten Robert Schumann und Aribert Reimann einen fruchtbaren Dialog zwischen Klassik und Moderne. Nun knüpfen die Brüder Erik, Ken und Mark Schumann sowie Geigerin Liisa Randalu mit Chiaroscuro erneut ein spannendes Netzwerk aus offenkundigen und unterschwelligen Beziehungen zwischen den Zeiten und Stilen. Darin sind Meilensteine der Gattung genauso zu finden wie eher ungeläufige, aber höchst interessante Bearbeitungen. Licht und Schatten liegen aber auch interpretatorisch manchmal eng beieinander im angestrebten Helldunkel dieser Programmgestaltung. Selten zu hören sind beispielsweise Mozarts Bearbeitungen einiger Bach-Fugen KV 405, die hier wie musikalische Scharniere zwischen die größeren Beiträge gesetzt sind. Mozarts unprätentiöse Streichquartett-Einrichtungen einiger prominenter „Stile antico“-Fugen aus dem Wohltemperiertem Klavier kommen in einer gleichermaßen durchsichtigen wie empfindsamen Weise ähnlich gewinnend daher wie Felix Mendelssohn Bartholdys Bach-Hommage, die Fuge E-Dur op. 81 Nr. 4. Allerdings hätten die Themeneinsätze gelegentlich etwas mehr rhythmische Prägnanz vertragen können. Weniger überzeugend gerät Philip Glass’ oft eingespieltes 2. Streichquartett Company (1982), das bei den Schumanns mit einer unpassend expressiven Gestik überfrachtet wird. Der polyfone Zugriff in der gleichberechtigen Präsenz aller Stimmen verunklart Konturen eher als dass er sie schärft. Sehr konturiert, detailreich und auf den Punkt expressiv hingegen geraten Weberns Sechs Bagatellen op. 9. Auch Dmitri Schostakowitschs Zwei Stücke für Streichquartett (1931), die auf Passagen aus Lady Macbeth und der Ballettkomposition The Age of Gold zurückgehen, lassen es weder an elegischer Tristesse noch an pointiertem Sarkasmus mangeln. Hauptwerk dieser mit aphoristischen Kleinoden gefüllten Anthologie jedoch ist Janáčeks 2. Streichquartett. Hier langt das Schumann Quartett gleich im Kopfsatz der Intimen Briefe kräftig in die Vollen, so sehr, dass es schwer wird, im Verlauf großräumigere Spannungsbögen und Steigerungspotenziale aufrechtzuerhalten. Dabei gehen (dynamische) Differenzierungen und Beleuchtungswechsel in der hochkontrastiven Binnenfaktur der einzelnen Sätze manchmal ein wenig unter. Im dritten und vierten Satz funktionieren die gleißende Expressivität und rhythmische Vehemenz, mit denen das Schumann Quartett insgesamt unterwegs ist, deutlich besser. Zum „Runterkommen“ gibt es dann abschließend Gershwins gefällig entspanntes Wiegenlied. Der Booklettext ist in seiner Naivität manchmal nur schwer erträglich.
Dirk Wieschollek