Jens Daniel Schubert
Chemnitz: Singen macht Hoffnung
Krásas Kinderoper „Brundibár" als gelungene Kooperation in Chemnitz
Brundibár ist ein Leiermann. Er spielt so laut, dass man Anika und Pepíček nicht hören kann. Aber man muss sie hören! Mit ihrem Gesang wollen sie Geld verdienen, um ihrer kranken Mutter Milch kaufen zu können. Die Geschichte der Oper Brundibár ist eine besondere. Daher ist auch jede Aufführung des Werks weit mehr als die märchenhaft-kindgerechte Geschichte, wie sich die Geschwister, unterstützt zunächst von drei Tieren und dann mit allen Kindern der Stadt, schließlich doch Gehör verschaffen.
Hans Krása, deutschsprachiger tschechischer Komponist, ein Schüler Zemlinskys, hat sie 1938/39 komponiert. Der Krieg verhinderte zunächst die Uraufführung. Als Krása in Theresienstadt interniert war, schuf er eine Fassung der Oper, die mehr als 50-mal im Lager aufgeführt wurde. Die meisten Protagonisten der Oper und auch ihr Komponist überlebten die NS-Gräuel nicht. Erst Ende der 1970er Jahre wurde die Oper wiederentdeckt und erlebte als Teil von Erinnerungs- und Versöhnungsprojekten einige vielbeachtete Aufführungen.
Die Chemnitzer Inszenierung wurde von Opernhaus Chemnitz und Städtischer Musikschule gemeinsam realisiert. Ein kleines Orchester, gemischt aus Musikschul-Instrumentalisten und Mitgliedern der Schumann-Philharmonie, sitzt neben der Bühne. Die Leitung hat Lorenz Höß. Der Kirchenmusiker und Chorleiter ist am Opernhaus Chorassistent und Leiter des Kinder-, Jugend- und Extrachores. Das hoch aufragende Bühnenbild, teils Abenteuerspielplatz, teils Fabrikgebäude, mit Türmen, Rundumleuchten und Verfolgerscheinwerfern auch an Wachtürme erinnernd, stammt, wie auch die Kostüme, von Claudia Weinhart. Die Inszenierung des Musikschulchors und der daraus hervortretenden Solisten sowie von Daniel Pastewski als Titelfigur lag in den Händen von Sascha Theis, Spielleiter und Regieassistent am Opernhaus.
Er legt den Leiermann als einen klassischen Bösewicht an. Anfangs überwacht er die Szene vom Beobachtungsturm. Dann schlüpft er in einen ausladenden Mantel mit riesigem Zylinder und ist ein faszinierender Verführer, an die fantastischen Figuren eines E.T.A. Hoffmann erinnernd. Ohne es vordergründig zu thematisieren, spielt er so die Geschichte um die Oper mit.
Geschickt balanciert die Regie auf dem Grat zwischen Laienspiel und professionellem Theater. Theis gibt dem Chor klare Bewegungsmuster, gibt einzelnen kleinen Soli Raum, sich auszuleben, führt die spielerischen und sängerischen Begabungen organisch zusammen. Dabei kann er sich immer auf Höß verlassen, der mit dem Projektorchester zum sensiblen Begleiter der kindlichen Akteure wird. Daniel Pastewski wiederum ist so professionell, dass er nie seine jungen Kollegen dominiert, sich einfügt in Ensemble und Choreografie.
Brundibár glaubt nicht, dass die Kinder ihn besiegen können. Doch gemeinsam sind sie plötzlich über ihm. Die Kinder wissen sich zu beherrschen. Sie übergießen ihn nicht mit Schleim, sondern singen gemeinsam gegen ihn an. Beraubt um Mantel und Zylinder wird er sogar in den Kreis der den Sieg über das Böse Feiernden eingeschlossen.
Manchmal ist sie kindlich naiv, die Utopie, die Theater vermittelt. Sie heißt ganz einfach: „Ihr müsst auf die Freundschaft bau’n!“ Manchmal ist so eine Utopie überlebenswichtig. Nicht nur für die Kinder, die mitspielen.