Žuraj, Vito

Changeover

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 6417 2
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 74

Saar Berger kann Horn spielen, auch wenn er dem gewundenen Instrument hier ein paar ganz andere Sounds entlocken muss als im konventionellen Sinfoniekonzert. Überhaupt, die Klänge, die das Orchester in Vito Žurajs Hawk-Eye produzieren muss, wandern auf dem schmalen Grat zwischen musikalisch innovativem neuen Klang und lustvollen Spielereien mit Techniken der Neuen Musik. Tatsächlich schafft das Orchester der Slowenischen Philharmonie unter Matthias Pintscher es, nicht auf die Seite der Klangspielereien abzurutschen – vielmehr macht es vom ersten bis zum letzten Takt spannende Musik. Hornist Berger genießt die wenigen konventionellen Töne und die blitzblanke flotte Technik ebenso wie die neuen Klänge, die (exakt auf den Punkt gebracht) manchmal an quakende Enten erinnern und alles andere als simpel zu spielen sind. Schnell zieht diese bunte, immer leicht aufgeregte Musik den Zuhörer in den Bann. Dabei spielen Algorithmen in dieser Musik ebenso eine Rolle wie musikalische Intuition. Trotzdem entsteht keine starre, floskelhafte Reißbrettmusik – im Gegenteil.
Das Ensemble Modern unter Johannes Kalitzke ist anschließend mit Restrung, wie Hawk-Eye eine Auftragskomposition, zu hören. Saiteninstrumente, tumultartige Klangflächen und zarte, glockenspielähnliche Passagen wechseln einander ab, wirken teils fast meditativ und pushen insgesamt eine Menge Klangenergie (vor allem gegen Ende) ins Ohr der Zuhörers.
Ensemble Modern und hr-Sinfonieorchester (Leitung: Johannes Kalitzke) kommen in Changeover gemeinsam auf die Bühne. Der Seitenwechsel der Tennisspieler stand Pate für dieses Stück, das wie die anderen Werke dieser CD mit Algorithmen erarbeitet wurde. Die Musiker – hier wühlen sie sich freudig und virtuos durch einen Wust an Sounds – schaffen Dichte und Spannung. Die Dynamik, von Kalitzke genussvoll ausgereizt, verstärkt die Spannung. Das Werk ist nur bedingt beim ersten Kennenlernen komplett fassbar (selbstverständlich bleiben auch hier kleine melodische Stückchen im Ohr), aber es hinterlässt einen intensiven inneren Abdruck beim Hörer. Herrliche, bizarre Klanglandschaften vielleicht, die extreme Tiefen und Höhen besitzen.
Am Ende dieser CD folgt Runaround für vier Blechbläser und Instrumentalgruppen. Ein bisschen humorig schnarrt es zu Beginn in tiefsten Blechlagen. Die anderen, in Gruppen organisierten Musiker begleiten zunächst, werden aber kurz darauf ebenso wichtig wie das Blechquartett.
Johannes Kalitzke ist wieder einmal am Taktstock, das Ensemble Modern unterstützt die Solisten um Saar Berger. Schwierig zu blasen, genussvoll zu hören. Das macht Spaß und man möchte es direkt noch einmal hören.
Die beigefügte DVD zeigt drei Schlagzeuger des Ensemble Modern in „Top Spin“. Suppenlöffel dienen als Schlägel – exakt auf den Punkt gebrachte rhythmische Figuren kitzeln das Ohr angenehm. Ein hübsches, virtuoses Dessert zur CD, wieder einmal dem Tennis verhaftet, denn „Top Spin“ ist eine Schlagtechnik in diesem Sport.
Heike Eickhoff