Hans Winterberg
Chamber Music Vol. 1: String Quartet No. 1/Cello Sonata/Violin Sonata/Suites for Trumpet and Piano and Viola and Piano
Hartmut Rohde (Viola), Andre Schoch (Trompete), Holger Groschopp (Klavier), Adamello Quartet
Der Name des Komponisten Hans Winterberg ist in der Musikwelt erst seit kurzer Zeit bekannt – und man wird ihn sich merken müssen. Winterberg kam 1901 in Prag zur Welt. Aus einer jüdischen Familie stammend, wurde auch er Opfer des Nationalsozialismus und 1945 im Ghetto Theresienstadt interniert. Gottlob überlebte er das Lager und siedelte einige Jahre später – ausgerechnet – nach Deutschland um. Nachdem er in München anfangs unter anderem von dem Dirigenten Fritz Rieger gefördert wurde, geriet seine Musik später in totale Vergessenheit. Als Winterberg 1991, wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag, verstarb, war er faktisch unbekannt – was nicht zuletzt daran lag, dass sein Schaffen jahrelang in einem Archiv vergraben lag, ohne Zugangsmöglichkeit für die musikinteressierte Öffentlichkeit. Erst seit einigen Jahren ist Winterbergs Musik wieder zugänglich und seitdem beginnt allmählich ihre Wiederentdeckung; einige CDs mit Kammer- und Orchestermusik sind inzwischen erschienen.
Die vorliegende Veröffentlichung ist die erste Folge eines Zyklus mit Winterbergs kompletter Kammermusik, präsentiert vom Label EDA. Die Werke stammen aus den Jahren 1936 bis 1951 und werden in chronologisch umgekehrter Reihenfolge präsentiert: zuerst die Cellosonate (1951), dann die Suiten für Viola (1949) bzw. Trompete und Klavier (1945) und schließlich die erste Violinsonate und das Streichquartett Nr. 1, beide entstanden 1936.
Winterbergs Tonsprache ist nicht einfach zu klassifizieren. Einerseits hört man natürlich Einflüsse von Komponisten wie Schönberg, Bartók und Strawinsky, doch sind diese vollständig in eine sehr persönliche Tonsprache assimiliert, die stark auf das Element des Rhythmus konzentriert ist. Darin ähnelt sie am ehesten der Musik von tschechischen Meistern wie Leoš Janáček und Pavel Haas. Jede Art von Stimmungsduselei ist Winterberg fremd. Oft wirkt seine Musik schroff, fast ein wenig unwirsch; dann jedoch ist man von der tief empfundenen Lyrik etwa des langsamen Satzes der Cellosonate gleichermaßen überrascht und fasziniert. Wer von Winterberg noch nichts kennt, sollte vielleicht mit der Suite für Viola und Klavier beginnen, die fast ein wenig an französische Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnert.
Die Musiker um den Pianisten Holger Groschopp sowie das treffliche Adamello Quartett lassen der Musik durchweg Gerechtigkeit widerfahren, das Klangbild erfüllt höchste Ansprüche. Ein großes Sonderlob erhält der fantastische Beihefttext von Frank Harders-Wuthenow, der umfassend über den Komponisten, dessen Lebensumstände und sein Werk informiert.
Thomas Schulz