Bruch, Max
Chamber Music
Trio Apollon: Matthias Glander (Klarinette), Felix Schwartz (Viola), Wolfgang Kühnl (Klavier)
Max Bruch? Ach, der mit dem Violinkonzert! Sehr schön, die Geiger lieben es
Das ist meist die knappe, spartanische Reaktion von Halb-Wissenden auf einen missverstandenen Großen, der zwischen Romantik und Moderne geriet, der den politischen Brüchen seiner Zeit mit eisernem Konservatismus begegnete und der sich auch gern mit Kollegen fetzte; der aber immer gute, melodisch durchpulste Musik schrieb. Max Bruch (1838-1920), der an unterschiedlichen Orten arbeitete und wirkte (unter anderem in Breslau, Liverpool, Berlin und Koblenz), blieb in der Tat in Erinnerung mit seinem populären 1. Violinkonzert. Aber Kammermusik? War da was?
Ja, da sind beispielsweise die Acht Stücke op. 83 für Klarinette, Viola und Klavier; das Kol Nidrei für die gleiche Besetzung; die Romanze für Viola und Orchester F-Dur op. 85, vom Komponisten selbst bearbeitet für Viola und Klavier; und die Canzone für Violoncello und Orchester B-Dur op. 55, von Bruch bearbeitet für Klarinette und Klavier. Dies alles sind Kompositionen mit lyrischer Anmut und gesanglicher Hingabe, auch mal aufgefrischt durch zupackende volksmusikalische Nähe, in denen einer fast mit jeder Note im dichten kontrapunktischen Geflecht zu verstehen gibt, dass er das kammermusikalische Handwerk in Veredelung versteht.
Die drei hier agierenden Berliner Solisten, vereint im Trio Apollon seit überaus erfolgreichen 25 Jahren, haben längst Kammermusikgeschichte geschrieben weil sie diesem Genre in dieser romantischen Besetzung (Klarinette, Viola, Klavier) belebende Impulse vermittelten, weil sie die Kunst der Transparenz exemplifizierten, weil sie auf höchstem technischen Level spielen, aber den virtuosen Glanz nicht eitel nutzen. Klavierprofessor Wolfgang Kühnl sowie die Staatskapellen-Mitglieder Matthias Glander (Klarinette) und Felix Schwartz (Viola) legen eine entwaffnende Natürlichkeit im Klangbild und in den polyfonen Strukturen vor. Bruchs Stücke gedeihen unter ihren Fingern, ihrem Verstand, ihrem gemeinsamen Verständnis.
Die raffiniert und zugleich liedhaft ausgestatteten Acht Stücke zählen zu den Spätwerken (um 1908), das beliebte Kol Nidrei (1880) zeigt Bruchs Einfühlung in die hebräisch-jüdische Tradition, die Canzone für Klarinette und Klavier (1891) und die Romanze für Viola und Klavier aus dem Jahr 1911 zeigen, wie dankbar diese Zwischenzeitmusik ist. Bruch vertraute ganz den Spätromantik-Elementen, in denen die schöne und farbige Melodie den Ton angab. Das verstand er fast wörtlich!
Die CD, technisch nicht ganz einwandfrei, ist all denen zu empfehlen, die mehr über diesen Komponisten erfahren wollen. In diesen Werken liegt Bruch ganz in der Nähe von Robert Schumann. Das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.
Jörg Loskill