Sekles, Bernhard

Chamber Music

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Zuk Records 334
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 76

So etwas nennt man Pionierarbeit. Geleistet haben sie Marat Dickermann (Violine), László Fenyö (Violoncello) sowie die Pianistinnen Monica Gutman und Julia Okruashvili. In den einschlägigen Tonträgerverzeichnissen suchte man nämlich Aufnahmen mit Musik von Bernhard Sekles vergebens. Nun erschien bei dem in Bremerhaven ansässigen Label Zuk Records eine CD mit später Kammermusik des Komponisten.
Geboren 1872 in Frankfurt, studiert er am angesehenen Hoch’schen Konservatorium seiner Heimatstadt, u.a. Komposition bei Iwan Knorr (der auf Empfehlung von Johannes Brahms berufen worden war). 24-jährig kehrt Sekles – nach Kapellmeisterstationen in Mainz und Heidelberg – nach Frankfurt zurück und übernimmt eine Theorielehrerstelle am Hoch’schen Konservatorium. Von da an bis zu seinem Tod im Jahr 1934 wird er das Musikleben in der Mainmetropole nachhaltig prägen. Bald schon wird Sekles mit der Leitung der Instrumentations- und der Kompositionsklasse betraut. Zu seinen Schülern zählen u.a. Paul Hindemith, Hans Rosbaud, Ottmar Gerster und Theodor W. Adorno. 1923 steigt Sekles zum Direktor des Konservatoriums auf und erweitert den Aktionsradius der Lehranstalt beträchtlich. Gegen heftigen Widerstand etabliert Sekles 1928 eine Jazzklasse – weltweit die erste ihrer Art, wie Booklet-Autor Peter Cahn hervorhebt – und beruft Mátyás Seiber zu deren Leiter.
Sekles’ kompositorisches Werk umfasst Lieder, Chor-, Kammer- und Orchestermusik sowie Opern und auch eine Ballettmusik. 1919 entsteht die dreisätzige Sonate in d-Moll für Klavier und Violoncello, die den Erfindungsreichtum belegt, mit dem sich Sekles im spätromantischen Stil bewegt. Er gestaltet große Kontraste, lässt die Musik mal im Pianissimo verdämmern, mal rasend dahinjagen, mal zu glutvoller Emphase sich aufschwingen. Die Wahrung einer greifbaren melodischen Kontur steht im Vordergrund, doch liebäugelt Sekles hier und da auch mit impressionistischen Einsprengseln, nutzt etwa Akkorde wie Farbtupfer. Ergebnis ist nicht zuletzt eine stellenweise auch rauschhaft-virtuose Musik, die László Fenyö und Julia Okruashvili temperamentvoll ausführen.
Lockerer, rhapsodisch freier gibt sich die Violinsonate op. 44, die sich im Nachlass findet. Hier tritt das von Sekles selbst so genannte Stilmittel der stilisierten Volkstümlichkeit hervor. Gelöste, heitere und verspielte Charakterstücke gelingen Sekles mit seinem Capriccio in four mouvements für Klaviertrio. Die Rhapsody on two Hebrew Ceremonial Motives entstand vermutlich in zeitlicher Nähe zum Januar 1933.
Der beginnende Wahn des Nationalsozialismus veranlasst Bernhard Sekles offenbar, sich seines jüdischen Glaubens zu versichern. Falls er da noch Hoffnung gehabt haben sollte, wird diese wenig später enttäuscht: Sekles wird, wie viele andere seiner Kollegen, zum 31. August 1933 entlassen. „Der Musiker Bernhard Sekles ist still und ohne viel Aufhebens seinen Weg gegangen“, schrieb Theodor W. Adorno in einer Würdigung zum 50. Geburtstag des Komponisten. Nach 1933 geriet seine Musik in Vergessenheit. Die CD, so ist zu hoffen, wird dazu beitragen, Sekles’ Œuvre wieder ins Bewusstsein zu rücken.
Mathias Nofze