Henry Purcell

Chaconne D-Dur

„Three parts upon a ground“ für 3 Violinen und Basso continuo, hg. von Klaus Hofmann, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walhall
erschienen in: das Orchester 10/2020 , Seite 66

Auf den ersten Blick könnte diese Neuausgabe eher obsolet erscheinen, existieren doch von Purcells “Three parts upon a Ground” Z731 bereits diverse Editionen in diversen Verlagen, sowohl in der Fassung in F-Dur für Blockflöten (vermutlich der Originalversion) wie auch in D-Dur für Violinen. Bei näherem Hinsehen aber wird klar, wie wertvoll das Werk und die vorliegende Ausgabe sind und wie lohnend es ist, wenn sie bei Profis, Lehrkräften und musizierenden Laien in neues Bewusstsein treten.
Die Musik basiert auf der Tradition der Improvisationspraxis, die besonders im Barockzeitalter sowohl für die musikalische Praxis wie auch zur Demonstration instrumentaler Virtuosität eine so wichtige Rolle spielte. 28 Variationen über das 6-taktige harmonische Gerüst wirken wie eine Niederschrift von ursprünglichen Improvisationen. In diese Folge hinein integriert Purcell vier polyfon streng gearbeitete Kanons – also quasi das Gegenstück zum Ex-improviso-Musizieren. Diese selbst gestellte Aufgabe mag den jungen Komponisten gereizt haben.
Im ersten dieser Kanons liegt das nachgerade berühmt gewordene Überlieferungsproblem: Die Handschrift weist hier eine Lücke von zwei Takten auf, an deren Rekonstruktion sich bereits etliche musikwissenschaftliche Publikationen und mehrere Editoren abgearbeitet haben. Die vorliegende Ausgabe bringt eine sinnvolle und überzeugende Version.
Klaus Hofmann ist ein ausgewiesener und erfahrener Fachmann in Sachen Editionspraxis, der wissen- schaftliche Akribie und ein hohes Maß an Kontrapunkt- und Generalbass-Kompetenz in den Dienst einer Edition für Musikliebhaber und für den Unterricht stellt. Seine Basso-continuo-Aussetzung richtet sich an weniger versierte Laien, was absolut seine Daseinsberechtigung hat.
Das Vorwort (deutsch und englisch) kann sich insofern mit den wichtigsten Bemerkungen begnügen, als der Autor gleichzeitig mit der Edition einen lesenswerten Artikel über den fragmentarischen 1. Kanon vorgelegt hat, der Interessenten dringend zur Lektüre empfohlen sei (“Tibia”, 4/2019, S. 584-593).
Der Verlag Edition Walhall verfolgt eine eindrückliche Linie für Unterricht und Ausbildung. Es ist nicht nur die Version dieses Purcell-Stücks für drei Blockflöten im Verlagsprogramm zu finden, sondern – wie zur Untermauerung des zugrunde liegenden Improvisations- Konzepts – auch wichtige Publikationen, deren paralleles Studium einen hohen Mehrwert darstellt. Im pädagogischen Bereich sind dies beispielsweise das Lehrbuch “Improvisation mit Ostinatobässen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert” von Martin Erhardt, auf historischem Gebiet Jacques Hotteterres “L’Art de Préluder”, das bekanntlich ebenfalls ein Unterrichtswerk für das Improvisieren ist. Solche Querbezüge innerhalb der Verlagsarbeit verdienen große Anerkennung.

Peter Reidemeister