Klauspeter Bungert

César Franck

Eine analytische und interpretative Annäherung an sein Werk

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Canticus
erschienen in: das Orchester 01/2021 , Seite 62

„In Dreiteufelsnamen ja: teutonisch. Und bei einigen Werken des Zwanzigjährigen: russisch.“ Für ein Buch, das eine „analytische und interpretative Annäherung“ an das Schaffen von César Franck ankündigt, ein provokantes Fazit. Doch ist das vom Autor so gewollt. Klauspeter Bungert hält ein flammendes Plädoyer für den deutsch-belgischen Komponisten und will dabei gängige Klischees aufbrechen. Er sieht Franck immer noch hinter einem Nebel aus Vorurteilen und Geringschätzung verschwinden, obwohl er seiner Ansicht nach eines der „innovativsten OEuvres der Musikgeschichte“ hinterlassen habe.
Völlig verfehlt sei etwa die Meinung, Franck sei ein „Spätzünder“ gewesen, der erst gegen Ende seines Lebens zu einem eigenen Stil gefunden habe. Vielmehr sei bereits das Orchesterstück Ce qu’on entend sur la montagne, geschrieben vom 23-jährigen Franck, ein Werk, das mit allen formalen Konventionen breche. Bungert spürt in der Musik den „reinen Klang einer großartigen Urweltlichkeit“ auf, erkennt moderne Collageverfahren und beschreibt die Co – da schließlich superlativisch als eine der „kühnsten und mächtigsten Schichtungen der Musik“. Gemeint ist natürlich „der Musikgeschichte“ – eine von zahllosen sprachlichen Ungeschicklichkeiten, über die man als Leser immer wieder stolpert.
César Franck ist im Konzertbetrieb – darin wird man dem Autor zustimmen – immer noch zu wenig präsent. Bekannt sind seine Sinfonie in d-Moll, die Violinsonate in A-Dur, einige Orgelwerke, vielleicht noch die Sinfonischen Variationen für Klavier und Orchester. Doch rückt auch zunehmend Vergessenes in den Fokus. So wurde im Februar 2019 in Freiburg Francks Oper Hulda erstmals im deutschen Sprachraum aufgeführt. Trotzdem – es lohnt sich, eine Lanze für das vielgestaltige und kompositorisch innovative Werk zu brechen, etwa für das Weihnachtsoratorium Rédemption, die sinfonische Dichtung Les éolides, die Orgelwerke und die Oratorien.
Bungert will in seinem Buch mehrere Ansätze vereinen: satztechnische und formale Analyse, Aufspüren einer (oft religiösen) Semantik, sowie Interpretationskritik, verbunden mit Vorschlägen für eine adäquate Aufführungspraxis. Ein hoher Anspruch also, dem Bungert aber nur bedingt gerecht werden kann. Das ist in erster Linie dem sprachlichen Duktus geschuldet, der mal umständlich, mal missverständlich, mal verworren erscheint. „Diese Musik bricht Horizonte auf“, heißt es an einer Stelle, es ist die Rede von „agiler Transparenz“, eine CD-Einspielung ist „anhörlich“.
Das Avantgardistische von Francks Musik herauszuarbeiten, gelingt ihm selten. Da helfen auch Begriffe wie „Simultanmelodik“ oder die Anwendung der barocken Figurenlehre nichts. Stattdessen immer wieder Erläuterungen, die mehr verstellen als erhellen. Kostprobe: „ein verschränktes Motiv, das aus dem versetzten Tonintervall hervorgeht.“ Und das vollmundig „eine andere Franck-Interpretation“ überschriebene Kapitel plädiert im Wesentlichen für maßvolle Tempi, um das oftmals kunstvolle Stimmengeflecht der Musik voll zu Geltung zu bringen. Schön der Buchstabendreher „metrominisiert“.
Mathias Nofze