Werke von Haydn, Mozart / Cassadó und Carl Philipp Emanuel Bach
Cellokonzerte
Valentin Radutiu (Violoncello), Münchener Kammerorchester, tg. Stephan Frucht
Wurde in Kennerkreisen des späten 18. Jahrhundert der Name Bach erwähnt, so dürfte kaum jemand an den Thomaskantor gedacht haben. Die Ehre galt vielmehr dessen zweitältestem Sohn, dem friderizianischen Kammercembalisten und späteren Hamburger Musikdirektor Carl Philipp Emanuel Bach. Er ist der Vater, wir sind die Bubn: Wolfgang Amadeus Mozarts CPE-Reverenz bezieht sich auf den großen Einfluss, den zumal die Instrumentalmusik des Hamburger Bach auf die Wiener Klassiker ausgeübt hat. Kaum verwunderlich, dass auch Joseph Haydn dem Meister huldigte: Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studirt habe.
Auf der vorliegenden Neuproduktion finden wir Vater und Bubn vereint, einen der Söhne indes in leichter Schräglage. Neben zwei authentischen Cellokonzerten Haydns C-Dur-Konzert und CPE Bachs B-Dur-Konzert enthält die CD eine ebenso kuriose wie charmante Melange: Gaspar Cassadós Cello-Adaption des Mozartschen Hornkonzerts KV 447. Sie erschien 1931 unter der Bezeichnung Freie Transkription, und in der Tat beschränkte sich der Bearbeiter-Ehrgeiz des berühmten Cellisten keineswegs auf die Transposition in die cellofreundliche Tonart D-Dur. Vielmehr griff Cassadó lustvoll in die Substanz des Werks ein, veränderte hier und da den Orchestersatz, verkürzte oder verlängerte einzelne Phrasen und fügte dem im Original mit sechsfach repetiertem Grundton durchaus hornmäßig ersonnenen Hauptthema des Finalrondos eine augenzwinkernd-vergnügliche Wechselnote ein. Vor allem aber kreierte Cassadó unter dem Dach des Mozartschen Originals einen völlig neuen, mit Doppelgriffen, Akkorden, rasanten Arpeggien, kurz: Akrobatik aller Art gespickten Solopart, der sich an den ursprünglichen Part des Horns nur mehr lose anlehnt. Und wie immer in solchen Fällen haben wir die Wahl: Führen wir eine Debatte über Wert und Un- bzw. Zeitwert postromantischer Bearbeitungswut oder nehmen wir es sportlich und genießen die Herrlichkeit virtuosen Cellospiels, vor dem beruhigenden Hintergrund eines Mozart-Konzerts?
Letztere Reaktion sei herzlich empfohlen, zumal dann, wenn ein Meistercellist wie Valentin Radutiu am Werk ist. Der 1986 in München geborene Ex-Schüler von Heinrich Schiff und David Geringas lässt das Mozart-Cassadó-Konzert in allen Facetten erblühen, vollbringt Atemberaubendes an Finger- und Bogenfertigkeit und spielt zugleich tonschön und beseelt: ein reines Vergnügen! Nicht weniger gilt dies für die beiden anderen Werke, wobei hier sowohl Solist als auch das exzellent begleitende Münchener Kammerorchester unter der Leitung des jungen Dirigenten Stephan Frucht hörbar machen, dass historisch informiertes und entspannt-atmendes Musizieren mehr oder weniger synonyme Begriffe geworden sind.
Gerhard Anders