Werke von Bohuslav Martinu, Felix Mendelssohn Bartholdy, Ludwig van Beethoven und anderen

Cello Variations

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH 13020
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 78

Am Anfang standen eine zündende Idee und ein enthusiastischer Promoter: 1993 initiierte der Cellist Raimund Trenkler erstmals ein Cello-Festival in der pittoresken hessischen Kleinstadt Kronberg. Hieraus entwickelte sich zunächst die Internationale Kammermusik-Akademie und später, räumlich und fachlich ausgreifend, die Kronberg Academy, eine Einrichtung, unter deren Dach heute Festivals, Konzerte, Stiftungen, ein Wettbewerb, ein Konservatorium und ein hochkarätiger Master-Studiengang Platz finden. Übergreifendes Ziel ist die Förderung begabter Nachwuchs-Streicher, angefangen von Kindesbeinen im Pre-College bis hin zum höchsten Solisten-Level. Über allem schwebt der Geist von Mstislav Rostropowitsch, der Kronberg mehrfach besuchte und zu dessen Ehren alljährlich ein Gedenkkonzert stattfindet.
Heutiger Spiritus Rector der Cellisten ist Frans Helmerson, in dessen Kronberger Masterclass u.a. der 1985 geborene ungarische Cellist István Várdai studierte. Auch er ist mittlerweile Teil des Kronberger Lehrkörpers als Leiter des Konservatoriums. Auf der vorliegenden CD präsentiert er sich mit einem Programm, das ausschließlich aus Variationen besteht… Zu einseitig? Solcherlei „Gedanken und Ängste“, so Várdai im Booklettext, hätten ihn beschäftigt, doch mittlerweile sei er überzeugt, dass freies Assoziieren innerhalb eines festen Rahmens auch in geballter Form ein Publikum faszinieren könne.
Dies gelingt hier in der Tat. In der Abfolge des Hörens erleben wir, welche Methoden die Komponisten anwenden und welche Dimensionen der Verarbeitung sie dabei erreichen. Einmal mehr kommt man nicht umhin, Beethovens Kunst zu loben: Verglichen mit der salonhaften Glätte von Mendelssohns Variations concertantes oder den bisweilen „gesuchten“ Verwandlungen in Martinus Variationen über ein Rossini-Thema und ein slowakisches Volkslied fesseln Beethovens frühe Ein Mädchen oder Weibchen-Variationen aufgrund ihrer Raffinesse und souveränen Anverwandlung des Themas. Die übrigen Werke entstammen cum grano salis dem Virtuosen-Genre: eine Fantasie von David Popper, Rossinis Une Larme-Variationen sowie Paganinis berühmte Moses-Variationen, von der schwerblütigen G-Saite der Geige auf die helle A-Saite des Cellos transferiert und hierdurch in ungewohntem Klanggewand erscheinend.
Várdai und sein Klavierpartner Walter Delahunt, ebenfalls Lehrer an der Kronberg Academy, spielen die Werke mit aller gebotenen Virtuosität und Finesse. Neben dem Rauschend-Spektakulären gelingt dem Duo ebenso gut mancher Moment des Innehaltens, etwa in den Martinu-Werken, aber auch bei Beethoven. Várdais bei aller Expressivität immer leuchtend-klarer Ton und Delahunts luzide Anschlagskunst sind exzellent aufeinander abgestimmt. Gewiss: Wer mit Blick auf die Musik Beethovens oder Mendelssohns Annäherungen an die historische Aufführungspraxis erwartet, wird enttäuscht. Wir vernehmen einen eher traditionellen Musizierstil, dargeboten indes in höchster Qualität.
Gerhard Anders